Frau blickt auf die Flamme einer Fackel

AFP/PRAKASH MATHEMA

Salzburger Nachtstudio

Rituale

Von Chancen, Risiken und Nebenwirkungen. Gestaltung: Daphne Hruby

Es gibt keine Gesellschaft, Kultur oder Religionsgemeinschaft ohne Rituale. Dabei haben sich zwar unterschiedliche Formen und Facetten herauskristallisiert, doch die Gründe und Ziele entsprechender Handlungen gleichen einander häufig.

Laut der US-amerikanischen Religionswissenschafterin und Ritualforscherin Catherine Bell können Rituale in sechs Kategorien unterteilt werden. Demnach werden Rituale in Zeiten des Übergangs von einem Lebensabschnitt in den nächsten, anlässlich kalendarischer Ereignisse, zur Wendung einer Krankheit oder Not, zur Kommunikation, zu Fest- und Fastentagen oder zu politischen Zwecken zelebriert.
Eine Handlung wird dann zum Ritual, wenn sie einem fix vorgegebenen Rahmen folgt. Gleichzeitig sind Rituale keineswegs statisch. Läuft ein Ritual an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, gerät es schnell in Vergessenheit oder wird ersetzt. Im religiös-spirituellen Bereich erfreut sich derzeit das Berufsfeld der freien Ritualbegleitung steigender Beliebtheit.

Rituale dienen der Identitätsstiftung sowie dem Zusammenhalt einer Gruppe. Im selben Atemzug halten sie oft aber auch als Instrument der sozialen Ab- und Ausgrenzung her. Davon können auch angehende Mitglieder betroffen sein. Manch ein Aufnahmeritual artet in Gewaltexzessen aus.
Auch im persönlich-individuellen Alltag sind Menschen ständig auf der Suche nach strukturgebenden Handlungen. Das kann so weit gehen, dass von der Nahrungszufuhr über den Schlafrhythmus bis hin zu den täglich zurückgelegten Schritten alles rituell mitgemessen wird - Stichwort Self-Tracking. Im Sport spielen Rituale schon lange eine bedeutende Rolle. Besonders athletische Großereignisse wären ohne diese Rahmung kaum denkbar. Ein vermeintlich sicherheitsvermittelndes Ritual kann sich aber auch zum Zwang entwickeln.

Diese Art der Repression kann ebenso von staatlicher Seite ausgehen. Es liegt in der Natur von diktatorischen Systemen, bestimmte Rituale zu verordnen oder andererseits auch zu verbieten. So wird das aufgezwungene Muster irgendwann zur Gewohnheit und Normalität. In China etwa versucht der Staat derzeit das Verhalten seiner Bürgerinnen und Bürger über ein sogenanntes "Sozialkredit-System" zu kontrollieren und in eine gewünschte Richtung zu lenken.
Manchmal kann die Einhaltung gewisser Regeln aber auch über Leben und Tod entscheiden - etwa auf dem Schlachtfeld.

Sendereihe

Gestaltung

  • Daphne Hruby