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Gedanken für den Tag
Wolfgang Müller-Funk über Karl Jaspers
"Spurensuche des vergangenen Jahrhunderts". Anlässlich des 50. Todestags von Karl Jaspers ruft der Literaturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk Stichworte aus dessen Werk und dem Briefwechsel mit Hannah Arendt in Erinnerung. - Gestaltung: Alexandra Mantler
2. März 2019, 06:56
Es ist ein weiter Weg, den Karl Jaspers zwischen den 1930er und den 1960er Jahren geht. Wie der in den späten 1920er Jahren begonnene Briefwechsel mit der damaligen Schülerin Hannah Arendt zeigt, ist der prominente Professor anfangs durchaus vom nationalen Aufbruch angetan. Er will nicht den Unterschied zwischen Juden und Deutschen verstehen, auf dem die Schülerin vor dem bedrohlichen Hintergrund im Jänner 1933 insistiert. Im Gegenteil findet er neben Verworrenheit und "Geschwätz" "in der nationalistischen Jugend so viel guten Willen und echten Schwung".
Es sind bedrohliche Lehrjahre, die aus ihm schon bald einen unnachgiebigen Kontrahenten des Nationalsozialismus machen sollten. Leicht fällt ihm dieser Weg nicht, zumal er sich, wie so mancher Überlebende der Konzentrationslager selbst (etwa Primo Levi) als einen Mitschuldigen sieht: "Wir Überlebenden haben nicht den Tod gesucht. Wir sind nicht, als unsere jüdischen Freunde abgeführt wurden, auf die Straße gegangen, haben nicht geschrien, bis man uns vernichtete. (.) Dass wir leben ist unsere Schuld."
Es sind zwei Menschen, die Jaspers Weg zum Theoretiker der Kollektivschuld begleiten, negativ der starrsinnige Heidegger, positiv die streitbare Schülerin Hannah Arendt. Bereits 1946 äußert er sich in einer umfangreichen Schrift zur Schuldfrage. Jaspers trennt zwischen politischer und rechtlicher Verantwortung und moralischer (Mit-) Schuld sowie zwischen der Verantwortung des Einzelnen und der des Kollektivs. Die moralische Schuld der Deutschen, in die er sich selbst mit einbezieht, besteht für ihn darin, "sich politisch einem Führer bedingungslos zu ergeben" und ferner in der "Artung des Führers, dem man sich unterwirft." "Die Atmosphäre der Unterwerfung" sei gleichsam "eine kollektive Schuld".
Das ist biblisch streng gedacht und es stellt sich dabei die Frage, ob es eine Vergebung kann oder ob diese Schuld sich nach dem Muster der Erbsünde auf die nachfolgenden Generationen überträgt, die die hinterlassenen Schulden bezahlen müssen. Man muss Jaspers in seinem pointierten Schuldspruch nicht in allen Punkten folgen, um zu sagen, dass seine theoretische Arbeit am Nationalsozialismus ein Niveau erreicht, das danach vielfach unterschritten worden ist.
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Sergej Rachmaninoff/1873 - 1943
Album: VLADIMIR HOROWITZ: ENCORES / ZUGABEN
Titel: Prelude für Klavier Nr.6 in g-moll op.23 Nr.5 : Alla marcia
Solist/Solistin: Vladimir Horowitz /Klavier
Länge: 03:41 min
Label: RCA Victor GD 87755