Kurt Cobain

AP/KEVIN ESTRADA

Radiokolleg

Kurt Cobain - Antiheld des Grunge

Zwischen Authentizität und Simulation (3). Gestaltung: Thomas Mießgang

Als Kurt Cobain 1994 seinem Leben mit einer Schusswaffe ein Ende setzte, war er, nach Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison und einigen anderen das letzte große Rock ´n` Roll-Exzessopfer und gleichzeitig, wie eine Musikzeitschrift schrieb, der erste MTV-Tote. In einem veränderten gesellschaftlichen, politischen und medialen Umfeld wurden Mind Expansion und das Verschieben von existentiellen Grenzen nicht mehr so hochgehalten wie in den Sixties, als die Doors "Break on through to the other side" intonierten.

Nirvana, die 3-Mann-Band, in der Cobain als Frontman und Hauptsongschreiber wirkte, vor dem Hintergrund von Post Punk, Hip Hop und Hair Metal, wie ein Wiedergängerphänomen, das der alten Trias von Sex, Drugs and Rock ´n` Roll noch einmal zu Glanz verhelfen wollte. Mit dem Album "Nevermind" im Jahr 1991 und Hits wie "Smells like Teen Spirit" brach das Power Trio durch zum Mainstream und etablierte Grunge als Massen- und Modephänomen.

Doch Kurt Cobain, der eine schwierige Jugend hinter sich hatte, war von Beginn an kein strahlender Siegertyp, der mit dem Motto "You gotta say yes to another excess" die Szene aufmischte, sondern ein vergrübelter Melancholiker. Sein überdimensionaler Drogenkonsum und sein Hang zur Selbstzerstörung waren jedoch nicht nur individuelle Unzulänglichkeiten, sondern prototypisch für jene desillusionierte "Generation X", über die Douglas Coupland ein Buch geschrieben hat und die einem Lied zu Hitehren verhalf, in dem es hiess: "I am a loser Baby, so why don`t you kill me."

Der Aufbruchselan, den sogar noch Punk und Postpunk bei allem "No Future" in sich trugen, war zu Beginn der 1990er Jahre längst verflogen, die Rockmusik hatte einen umfassenden Kommodifizierungsprozess erlebt und mit der Etablierung der Musikfernsehens war die Entgrenzungsenergie, die den Rock ´n` Roll seit Elvis Presley getragen hatten, endgültig verpufft.
Ein Format wie MTV unplugged, zu dem Nirvana einen bedeutenden Beitrag leisteten, lieferte gewissermaßen eine in vitro fertilisierte Lagerfeuerromantik, die auf maßgeschneiderte Sofortbefriedigung archaischer Bedürfnisse zielte und der Phantasie nicht mehr viel Raum liess.

- ein Vorschein auf das Datenabgreifen und die Konstruktion von Filterblasen, die unser derzeitiges netzgesteuertes Leben beherrschen.
So ist Grunge und dessen Antiheld Kurt Cobain in der Rückschau als seltsam ambivalentes Phänomen zwischen Authentizität und Simulation zu begreifen, zwischen brand new und retro, zwischen Mode und Verzweiflung. Und als letzte große jugendkulturelle Erregung, die noch einmal alle Stämme vereinigte, bevor der um sich greifende Tribalismus die Szenen endgültig zersplitterte.
"With the lights out, it's less dangerous" heisst es in "Smells like Teen Spirit", "Here we are now, entertain us."

Sendereihe

Gestaltung

  • Thomas Mießgang

Playlist

Komponist/Komponistin: Cobain
Titel: Smells like Teen Spirit
I: Nirvana
Label: DGC 424 425-9

Komponist/Komponistin: Cobain
Titel: Territorial Pissings
I: Nirvana
Label: DGC 424 425-9

Komponist/Komponistin: Cobain
Titel: All Apologies
I: Nirvana
Label: DGCD-24607

Komponist/Komponistin: Cobain
Titel: Polly
I: Nirvana
Label: DGC DGCD-24727

Komponist/Komponistin: Ledbetter
Titel: Where did you sleep last night
I: Nirvana
Label: DGC DGCD-24727

Komponist/Komponistin: Ledbetter
Titel: In the Pines
I: Leadbelly
Label: Stinson Records SLP #48

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