Theodor W. Adorno

AP/PETER HILLEBRECHT

Gedanken für den Tag

Wolfgang Müller-Funk über Theodor W. Adorno

"Ästhet der Unruhe" - Zum 50. Todestag von Theodor W. Adorno wirft der Wiener Kulturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk Licht auf einige Brennpunkte von Adornos Denken. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Das Ganze ist das Unwahre, heißt es in Adornos Aphorismen Minima Moralia. Das Ganze, das ist das System Hegels, das alles in eine repressive symbolische Ordnung bringt. Das Ganze, das ist auch der abstrakte Begriff, der das Einzelne und Konkrete in seiner unwiderruflichen Einmaligkeit gleichsam unter sich begräbt.

Adorno ist einer der ersten, der lange vor Michel Foucault, die Herrschaftsmomente bestimmter Denk- und Sprachformen freigelegt hat. Zwar übernimmt Adorno von Hegel, dem deutschen Meisterdenker der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bestimmte Denkfiguren wie die Dialektik, wandelt sie aber im Sinne seines skeptischen Denkens ab. Hegels Denken ist für ihn prekär, ja repressiv, weil es vollständige Ordnung und damit Unterordnung schafft. Insofern steckt in der modernen Rationalität des Denkens derselbe repressive Impuls wie in der kapitalistischen Gesellschaft.

Dem stellt der Philosoph eine offene Denkbewegung gegenüber, die vom Einzelnen und Besonderen ihren Ausgangspunkt nimmt. Diese Denkweise bringt er in die Nähe einer randständigen Denk- und Sprachform, des Essays. Dieser ist ein Format des Widerständigen und Resilienten, er lässt sich von niemandem Vorschriften machen, weder vom akademischen Wissenschaftsbetrieb, noch von der Religion oder von gesellschaftlichen Konventionen: Der Essay aber lässt sich sein Ressort nicht vorschreiben. Anstatt wissenschaftlich etwas zu leisten oder künstlerisch etwas zu schaffen, spiegelt noch seine Anstrengung die Muße des Kindlichen wider, das ohne Skrupel sich entflammt an dem, was andere schon getan haben.

Das Denken Adornos misstraut dem Ursprung ebenso wie der Lösung oder der Definition. Das Essayistische, Mischform zwischen Philosophie und Kunst, ist auf paradoxe Weise ein Ort der Einsamkeit wie der Kommunikation. Das Utopische an Adornos Philosophie ist, dass sie an einem gewiss fragilen Subjekt festhält, ohne das es keine Zivilgesellschaft geben kann.

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Erik Satie/1866 - 1925
Album: Erik Satie - Frühe Klavierstücke
Titel: Gymnopedies - 3 Stücke für Klavier
* Nr.3 (00:04:47)
Solist/Solistin: Reinbert de Leeuw /Klavier
Länge: 04:47 min
Label: Philips 4204722

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