Theodor W. Adorno

AP/PETER HILLEBRECHT

Gedanken für den Tag

Wolfgang Müller-Funk über Theodor W. Adorno

"Ästhet der Unruhe" - Zum 50. Todestag von Theodor W. Adorno wirft der Wiener Kulturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk Licht auf einige Brennpunkte von Adornos Denken. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Philologen mögen Philosophen nicht besonders. Niemand hat es gern, wenn andere einem ins Handwerk pfuschen. Wie Walter Benjamin ist auch Theodor Adorno ein passionierter Leser von Kafka, von Proust oder von Baudelaire. Und natürlich auch von Samuel Beckett.

Adorno liest durchaus vereinnahmend, er bedient sich der Stimme dieser Autoren, um seine Befunde zu untermauern. In den Autoren der klassischen Moderne findet der Philosoph der falschen Welt und des beschädigten Lebens Verbündete. Höchst einseitig, aber zugleich erhellend betritt er Kafkas und Becketts absurde Welten als literarisches Dokument einer vollständig entfremdeten Welt, in der der Mensch ortlos geworden ist. Die Stärke seiner Essayistik ist die schonungslose Freilegung der negativen Dynamiken hinter der fröhlichen Fassade der schönen neuen Konsumwelt und ihrer Verblendungen.

Insofern sind seine literarischen Kometen, ob sie es wollen oder nicht, auch politische Autoren, während Adorno umgekehrt Bertolt Brecht, zu dem er zeitlebens, vor allem aber im Exil, ein zwiespältiges Verhältnis unterhält, zuweilen kritisch beurteilt. Gegen die programmatisch politische Kunst seiner Zeit, aber vielleicht auch unserer Tage, wendet er ein, dass die didaktisch-politische Intention eben jenen gesellschaftskritischen Impuls vor allem durch Vereinfachung und Parteinahme eher beschädigt statt fördert.

Ob Literatur ein Medium von Erkenntnis ist oder nicht, dafür ist der politische Standort des Autors sekundär. So wird in seiner Lektüre der verarmte konservative Aristokrat Joseph von Eichendorff zum Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft und zum Geistesverwandten von Baudelaire. Kunst ist für Adorno Anschauung und was Eichendorff anschaulich macht, ist der Verlust, den das Subjekt in der modernen bürgerlichen Gesellschaft erfährt, das moderne Heimweh, das Adorno nicht fremd ist. Was Adorno retten will, ist aber nicht nur eine bestimmte Funktion von Literatur und Kunst, sondern auch Dichter, die politisch vom Nationalsozialismus oder philosophisch von Heidegger vereinnahmt wurden. Autoren wie Kafka und Beckett sensibilisieren uns für die schrecklichen Seiten unserer Welt und öffnen damit den Blick auf die Möglichkeit ihrer Überwindung.

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Erik Satie/1866 - 1925
Album: Erik Satie - Frühe Klavierstücke
Titel: Sarabandes, Stück für Klavier
* 1.Satz (00:06:44)
Solist/Solistin: Reinbert de Leeuw /Klavier
Länge: 06:44 min
Label: Philips 4204722

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