AFP/JEFF PACHOUD
Radiokolleg - Fäden in der Hand?
Über Frust und Lust beim Kontrollverlust (4). Gestaltung: Sarah Kriesche
26. September 2019, 09:05
Was passiert, wenn man die Fäden in der Hand hat und alle Stricke reißen? Das Bedürfnis nach Kontrolle und Selbstbestimmung zählt zu den psychischen Grundbedürfnissen des Menschen. Sowohl für das individuelle, als auch das gesamtgesellschaftliche Wohlbefinden zählt nicht nur, Kontrolle zum Beispiel über eine Situation zu erlangen, sondern auch, Kontrolle abgeben zu können.
Doch inwieweit ist es in einer datengetriebenen Welt noch möglich, Situationen zu kontrollieren? Technische Hilfsmittel, wie zum Beispiel das Smartphone, sollen das Leben angenehmer gestalten; die wahren Absichten der Architektinnen und Architekten der Hard- und Software, scheinen oft im Verborgenen zu liegen.
"Dark Patterns" umschreibt die zwielichtigen Wege, Nutzerinnen und Nutzer mit digitalen Tricks in die Einkaufsfalle zu locken. Besonders in sozialen Medien reiht sich ein Skandal an den nächsten, der aufzeigt, wie große Unternehmen Nutzerinnen und Nutzer ohne deren Wissen durchleuchten, kategorisieren und bevormunden und auch Staaten wie China nutzen die Möglichkeiten der digitalen Kontrolle, um die vermeintlichen Freiheiten, die Smartphones samt ihrer Apps versprechen, für ihre Zwecke, die Überwachung, zu nutzen.
Die Kontrolle über die eigene Privatsphäre wird von Sprachassistenten, die allzeit bereit auf Befehle warten, auf die Probe gestellt; die Möglichkeiten, die das Internet bietet, um Botschaften und Bilder schnell und viral zu verbreiten, öffnen Tür und Tor für Missbrauch. Unter anderem um intime Details über andere zu streuen. Hatespeech, Sexting, oder "Revengeporn" sind neuartige Begriffe, die für die Opfer absoluten Kontrollverlust über ihr Leben und ihre Privatsphäre bedeuten.
Die digitalen Utopien freilich versprechen dem Individuum neue Freiheiten, sowie Entscheidungsgewalt. "Active Assisted Living" als Schlagwort, verspricht zum Beispiel Seniorinnen und Senioren dank technischer Hilfsmittel Autonomie im Alter. Spezielle Überwachungs-Apps erlauben es Eltern, auf die Smartphones ihrer Kinder zugreifen zu können, um über ihre Aktivitäten und ihren Aufenthalt informiert zu sein. Von autarken Wohnmodellen bis hin zu digitalen Genossenschaften: Zusammenschlüsse von Gleichgesinnten erschließen dank digitaler Hilfsmittel und open source-Technologien neue Arbeits- und Gesellschaftsformen um Kontrolle über Arbeit, Einkommen und Lebensraum zurückzuerlangen. - Ein "Radiokolleg" über neue Formen der Kontrolle und des Kontrollverlusts.
Service
Bai Lin, Taiji
Ulrike Bechtold, Institut für Technikfolgenabschätzung
Barbara Buchegger, Saferinternet
Caroline Erb
Wikimedia, Claudia Garád
Tilo Grenz
Luca Hammer
Carolin Kollewe
Christian Korunka
Armin Nassehi
Oliver Oberleitner
Theresa Steiniger, Wohnwagon
Stefan Strauß, Institut für Technikfolgenabschätzung
AAL Testregion Wien
Liste AAL Pilotregionen
Wohnprojekt Wien
Literatur:
Armin Nassehi, Muster, Verlag C.H. Beck
Hartmut Rosa, Unverfügbarkeit, Residenz Verlag
Sendereihe
Gestaltung
- Sarah Kriesche