Von der Themse an die Moldau

2. Oktober 2019, 14:05

Herbstliche Rückschau auf zwei Frühlings- und Sommermusikfestivals

Der rumänische Dirigent Cristian Macelaru begann sein Konzert mit dem BBC Symphony Orchester mit einer für Londoner Proms Novität, dem folkloristisch angehauchten, in den 1930ern entstandenen "3 Stücke für Streichorchester" seines Landsmannes Constantin Silvestri.

Heute skandalträchtige Avantgarde, morgen retro

Der südkoreanische 25-jährige Pianist Seong-Jin Cheo feierte mit Prokofjews 2. Klavierkonzert in der Royal Festival Hall im 48. Promenadenkonzert der 125. Saison, einem den Solisten bis zur Erschöpfung fordernden Werk. Noch bei seiner Uraufführung 1913 wurde es als wüstes Avantgarde-Stück zur Hölle gewünscht und entfachte einen veritablen Skandal, zehn Jahre später aber, nachdem die Partitur verloren gegangen war, wurde es in der vom Komponisten rekonstruierten Fassung von Kritikern als nicht progressiv genug empfunden.

Aus der Luft gegriffene Töne

Im Eröffnungskonzert des 74. Musikfestivals "Prager Frühling" musizierte die deutsche Thereminvirtuosin Carolina Eyck mit Prager Publikumslieblingen u. a. die Phantasie für Theremin, Oboe, Streichquartett und Klavier vom Bohuslav Martinu. Er war einer der ersten Komponisten, der für das 1920 entwickelte Instrument schrieb. Eine der Besonderheiten dieses Werkes ist vielleicht, dass das Theremin nicht wie in einem Science-Fiction-Film der Nachkriegszeit klingt. Martinu mischt es in den Klang der anderen Instrumente, vornehmlich mit der Oboe. Carolina Eyck hat eine Lieblingsstelle in diesem bezaubernden Werk. In der Kadenz gibt es eine "schöne volksliedhafte Melodie", die sie gemeinsam mit der Bratsche zu spielen hat. Lieblingsstelle? Na, weil sie doch selbst einmal Bratsche gelernt hat.

Flüchtige Dissonanzen

Martinus 3. von 6 Streichquartetten entstand 1929 - mit diesem spüre er den Möglichkeiten der Vierstimmigkeit nach, sagt der Stimmführer des Bennewitz Quartetts, einer möglichst voneinander unabhängigen Stimmführung, die mit traditioneller Kontrapunktik nichts gemein habe. Harmonische Schärfen werden nicht ausgeschlossen, aber möglichst rasch beseitigt - es ergibt sich so etwas wie eine natürliche freie Tonalität. "Flüchtige Dissonanzen" wäre ein nicht unzutreffender Beiname. Als Balance, wie immer bei Martinu, rhythmisch pulsierend und klangprächtig. Formal inspiriert ist dieses recht kurze 3. Streichquartett von der Klassik bzw. Neo-Klassik.

Sendereihe

• Das Ö1 Konzert

Gestaltung

• Peter Kislinger