Das Ö1 Konzert

Britten, Elgar, Vaughan Williams

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Dirigent: Cristian Macelaru; Alban Gerhardt, Violoncello. Benjamin Britten: Four sea interludes aus "Peter Grimes" op. 33a Edward Elgar: Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 85 Ralph Vaughan Williams: Symphonie Nr. 4 f-Moll (aufgenommen am 1. März im Herkulessaal der Münchner Residenz). Präsentation: Peter Kislinger

Zeichen gesetzt - aber wofür, wogegen?

Vielleicht wollten das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Cristian M?celaru, der designierte Chefdirigent des WDR Sinfonierochesters, im Münchener Herkulessaal mit drei Werken englischer Komponisten angesichts des noch im März unmittelbar bevorstehenden, dann aufgeschobenen, Brexit ein Zeichen setzen. Ob die "Bilder der aufgepeitschten See" in Benjamin Brittens Four Sea Interludes nicht nur auf "das Seelenleben des Titelhelden" der Oper "Peter Grimes" schließen lassen, "sondern auch auf die Beziehungen der Insel zu Europa"? Diesen Zusammenhang hatte zumindest ein Kommentar des WDR herstellen wollen


Motorik gegen Melancholie getauscht

Edward Elgars Konzert für Violoncello und Orchester aus dem Jahr 1918 wurde als Elgars Kriegsrequiem bezeichnet. Kein Zweifel, dass die Schlachten - das Schlachten - des Ersten Weltkriegs Elgar nahe ging. Desillusioniert war er bereits in einem Brief vom 25. August 1914: "Was den Krieg anlangt, sage ich nichts - mein Herz und meine Seele erschüttert einzig der Gedanke an die Pferde, meine geliebten Tiere. Die Männer und die Frauen sollen zur Hölle gehen, aber meine Pferde.; ich drehe Runde um Runde in meinem Zimmer und verfluche Gott, der es zulässt, dass einfache Geschöpfe so gemartert werden - soll Er doch seine Menschen umbringen, aber wie kann er meine Pferde?"
Das Konzert ist auch der Absang eines Künstlers auf das Ende einer, auch musikgeschichtlichen, Epoche - Musik gewordene Klage über die Befürchtung, dass es für "music maker" vom Schlage eines Elgar keinen Bedarf mehr geben würde. Elgars Cellokonzert wurde gemeinsam mit Skrjabins Poème de l´extase und Borodins 2. Symphonie gespielt. Der Dirigent der ersten Programmstücke ließ Elgar, den berühmtesten lebenden englischen Komponisten seiner Zeit, der sein neues Konzert selbst dirigierte, mehr als eine Stunde bei den Proben warten. Ein damals 22-jähriger Cellist im Orchester wunderte sich über Elgars Geduld - der junge Mann war der später als Dirigent zu Weltruhm gelangende John Barbirolli.
Bei der Uraufführung vor 100 Jahren am 27. Oktober in der Londoner Queen´s Hall hatte sich das Publikum in der zur Hälfte gefüllten Queen´s Hall mehr Pomp und Gloria erwartet; einige Rezensenten erkannten immerhin, dass Elgars neues Werk zu wenig Proben hinter sich hatte, trotzdem befand der Journalist des Daily Telegraph: "Der Musik fehlt leider die Fähigkeit, uns zu erheben."
Von Melancholie sei "in Alban Gerhardts schlankem Celloton mit seiner bewusst spröde gehaltenen, an manchen Stellen heiser wirkenden hohen Lage nichts zu spüren" gewesen, schrieb die Münchener Abendzeitung. Solist, Dirigent und Orchester "entdeckten" an diesem mittlerweile zum Klassiker des Repertoires geworden Konzert "ungeahnte motorische Energien."


Hübsche gegen bessere Melodien getauscht

Nach der Uraufführung 1935 seiner überwiegend schroff, auch wütend dissonant daherkommenden Symphonie Nr. 4 war sich Ralph Vaughan Williams "nicht sicher", ob er selbst die Musik möge, "aber es ist das, was ich damals wollte." Die "hübschen" Melodien habe er gegen "bessere" ausgetauscht. Die schroffe Tonsprache wollten zeitgenössische Rezensenten auf Erfahrungen des Komponisten im "Medical Corps" der britischen Armee im "Great War" (1914-1918) zurückführen, "VW" selbst wollte die Symphonie als "absolute Musik" verstanden wissen. Formal orientierte sich der über 60-Jährige in diesem viersätzigen Werk an Beethoven. Er habe etwa, so Vaughan Williams augenzwinkernd, den Übergang vom 3. zum 4. Satz aus Beethovens 5. Symphonie "gestibitzt".

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Benjamin Britten/1913 - 1976
Titel: Four sea interludes op.33a aus der Oper "Peter Grimes"
* Nr.1 Dawn < Morgendämmerung > - 1.Akt
* Nr.2 Sunday morning < Sonntagmorgen > - 2.Akt
* Nr.3 Moonlight < Mondschein > - 3.Akt
* Nr.4 Storm < Sturm > - 4.Akt
Orchester: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Cristian Macelaru
Länge: 16:40 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Edward Elgar/1857 - 1934
Titel: Konzert für Violoncello und Orchester in e-moll op.85
* Adagio; Moderato - 1.Satz
* Lento; Allegro molto - 2.Satz
* Adagio - 3.Satz
* Allegro - Moderato - Allegro, ma non troppo - Poco più lento - 4.Satz
Cellokonzert
Orchester: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Cristian Macelaru
Länge: 25:50 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Ralph Vaughan Williams/1872 - 1958
Titel: Symphonie Nr.4 f-moll
* Allegro - 1.Satz
* Andante moderato - 2.Satz
* Scherzo, allegro molto - 3.Satz
* Finale con epilogo fugata, allegro molto - 4.Satz
Orchester: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Cristian Macelaru
Länge: 33:45 min
Label: EBU

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