Häuserzeile in Sibirien

AP/SERGEI GRITS

Radiokolleg - Sibirien: Mythen & Realität

Ressourcen, Eroberer und Verbannte (1). Gestaltung: Brigitte Voykowitsch

Extreme Kälte, Verbannung und Zwangsarbeit: Das sind die gängigen Assoziationen zu Sibirien. Sie haben ihre Berechtigung. Ein Temperaturspektrum von bis zu 40 Grad plus im Sommer und - zumindest in einigen sibirischen Gegenden- bis zu minus 70 Grad im Winter ist einzigartig. Millionen russischer und sowjetischer Bürger und Bürgerinnen mussten in diesem Klima noch dazu Zwangsarbeit leisten. Was Verbannung und Straflager bedeuteten, kann man bei den Schriftstellern Fjodor Dostojewski Aufzeichnungen aus einem Totenhaus - und Alexander Solschenizyn - Der Archipel Gulag - nachlesen.

Der sowjetische Gulag, der auf einer langen zaristischen Straftradition aufbaute, beschränkte sich allerdings nicht auf Sibirien, Lager bestanden auch westlich des Urals, der als Grenze zwischen dem europäischen Teil Russlands und Sibiriens gilt. Sibirien umfasst damit rund drei Viertel des russischen Staatsgebiets. Jahrhunderte vor der Errichtung des ersten sibirischen Lagers interessierten sich russische Kaufleute bereits für die Ressourcen jenseits des Urals.

An oberster Stelle für sie standen dabei zunächst die Felle von Zobeln, die auch in Westeuropa in hohem Kurs standen. Zobelfelle wurden bald zu einem wichtigen Tribut, den die russischen Herrscher von den neu eroberten Gebieten in Sibirien einforderten. Die Erschließung Sibiriens begann Ende des 16. Jahrhunderts durch Kosaken, denen bald Händler, Beamte, Bauern und Missionare folgten. Bereits 1639 erreichten die Russen erstmals die pazifische Küste. Der sogenannte Sibirische oder Moskauer Trakt wurde zur zentralen Handelsstraße, über die auch Tee von China bis nach Europa gelangte.

Um 1900 wurde die Transsibirische Eisenbahn zur wichtigen Verkehrsachse. Neue Ressourcen wurden entdeckt und vermarktet - wie Gold, Diamanten, Holz und schließlich Erdöl und Erdgas. Dass von dem Reichtum vor allem Moskau profitiert, hat in Sibirien immer wieder zu Verstimmung geführt, gelegentlich auch zu separatistischen Überlegungen. Die Bevölkerungszahl, die in Sibirien stets sehr gering war, ist heute weiter rückläufig. An bedeutenden Universitäten wie in Nowosibirsk oder Tomsk stellen Professoren einen Migrationstrend von Osten nach Westen fest: Studenten kommen aus Ostsibirien und wollen weiter nach Moskau, Petersburg oder überhaut Europa. Der Pioniergeist, der Eroberer, Wissenschafter und Komsomolzen nach Osten führte, gehört der Vergangenheit an. Das bremst nach den Analysen russischer Wirtschaftsexperten auch heutige Pläne für den eurasischen Raum.

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  • Brigitte Voykowitsch