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Radiokolleg - Markt und Moral
Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip (4). Gestaltung: Katrin Mackowski
19. Dezember 2019, 09:05
Seit jeher werden moralische Kategorien und die Regelwerke der Marktwirtschaft in einem Zug erwähnt und immer wieder in ihrem explosiven Konfliktfeld diskutiert. Die Moral liegt in den Spiel-Regeln, und der Wettbewerb findet in den Spiel-Zügen statt, würde man sagen. Doch welche Moral? Und wer oder was setzt diese Regeln in einer inzwischen digitalen Welt, in der Menschen und Produkte der künstlichen Intelligenz mehr und mehr miteinander verknüpft sind?
Martin Rhonheimer lehrt Ethik und politische Philosophie an der päpstlichen Universität Santa Croce in Rom. Er ist außerdem Priester der katholischen Personalprälatur Opus Dei und äußert seine Gedanken zu Kapitalismus und christlicher Sozialethik. Ökonomen wie Matthias Binswanger sprechen längst nicht mehr vom Wirtschaftswachstum, sondern von der Ambivalenz eines vorherrschenden Wirtschaftswachstumszwangs. Der Markt und seine Funktionsweise stehen auf dem Prüfstand; Klimawandel, zunehmende Monopolisierung als Folge der Globalisierung, Zuwanderung und Migration sowie wachsende Staatschulden weltweit, verweisen unmittelbar auf den Umbruch von Natur und Gesellschaft.
Der schottische Ökonom Graeme Maxton plädiert darum für "Change", wie er sagt und fordert radikale Restriktionen: Verbot von Billigflügen, Geburtenkontrolle in westlichen Ländern, sofortiger Ausstieg aus fossiler Energiegewinnung sowie Beschränkung auf 1 Prozent Wirtschaftswachstum. Auch Ideen, die Marktwirtschaft anders zu organisieren oder neu zu denken, kursieren: Da ist die Rede von der "schwarzen Null", der "new monetory theory", "Degrowth" oder dem "Green Deal".
Die Wertedebatte um unternehmerisches und politisches Handeln jedoch, durchzieht alle Konzepte gleichermaßen. Edzard Reuter, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG, appelliert dennoch an eine altbewährte, schlicht klingende Tugend: an den Anstand und das Verantwortungsbewusstsein von Menschen und ihrer Unternehmensführung. Er warnt vor der entfesselten Gier einzelner Akteure auf den Finanzmärkten, die wirtschaftliche Krisen auslösen können.
Doch ist für den "ehrbaren Kaufmann" im Turbokapitalismus des 21. Jahrhunderts überhaupt noch Platz? Und wäre das Setzen von Regeln nicht primär die Aufgabe der Politik, die zunehmend von der Wirtschaft in die Pflicht genommen wird?
Wer reguliert einen entfesselten Finanzmarkt? Internationale Kapitalmärkte brauchen adäquate Regeln gegen Steuerhinterziehung, damit einzelne Finanzjongleure oder Superreiche nicht mehr auf Kosten der Steuerzahler oder künftiger Generationen leben, sagt der Wiener Ökonom Wilfried Altzinger.
Doch Geld machen und Geld arbeiten lassen, das hat im Zuge allgegenwärtiger Krisen derzeit auch eine neue ethische Dimension. Das Zauberwort heißt "Nachhaltigkeit". Darauf setzt der Philosoph und Psychologe Max Deml. Mit akribischer Neugier erforscht er seit 30 Jahren ökologisch-ethische Fonds, denn sowohl konventionelle Anleger als auch neue Zielgruppen investieren inzwischen grün.
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