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Gedanken für den Tag
Cornelius Hell über Max Horkheimer
"Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen". Anlässlich des 125. Geburtstages von Max Horkheimer beleuchtet Cornelius Hell, Übersetzer und Literaturkritiker, dessen Gedanken an Gott.
11. Februar 2020, 06:56
Der Mythos geht in die Aufklärung über und die Natur in bloße Objektivität. Die Menschen bezahlen die Vermehrung ihrer Macht mit der Entfremdung von dem, worüber sie die Macht ausüben. Die Aufklärung verhält sich zu den Dingen wie der Diktator zu den Menschen. Er kennt sie, insofern er sie manipulieren kann.
Diese Diagnose findet sich in dem bekanntesten Buch, das die Philosophen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno gemeinsam im amerikanischen Exil verfasst haben: "Dialektik der Aufklärung". Dieses Buch analysiert das Doppelgesicht der Moderne, die Ambivalenz der Aufklärung, die Individualität erst hervorgebracht und gleichzeitig den Boden für ihr Verschwinden bereitet hat.
Horkheimer und Adorno beschäftigte die brennende Frage, wie es zum Nationalsozialismus kommen konnte. Da sich Horkheimer früh und intensiv mit Karl Marx auseinandersetzte, war der Stalinismus eine bittere Enttäuschung. Und aus unmittelbarer Nähe konnte er den amerikanischen Kapitalismus studieren. In der "Dialektik der Aufklärung" heißt es:
Der Einzelne wird gegenüber den ökonomischen Mächten vollends annulliert. Dabei treiben diese die Gewalt der Gesellschaft über die Natur auf nie geahnte Höhe. Während der Einzelne vor dem Apparat verschwindet, den er bedient, wird er von diesem besser als je versorgt.
In einem seiner wichtigsten Bücher kritisiert Max Horkheimer die "instrumentelle Vernunft", die sich auf Daten und Fakten konzentriert. Er stellt fest: Im Augenblick ihrer Vollendung ist Vernunft irrational und dumm geworden. Das Thema dieser Zeit ist die Selbsterhaltung, während es gar kein Selbst zu erhalten gibt.
Der einzelne Mensch, das Individuum wird immer mehr zum Brennpunkt von Horkheimers Denken. Er diagnostiziert, dass die Gesellschaft auf einen Zustand zugeht, den er "verwaltete Welt" nennt. Und er warnt vor einer Zukunft, in der die Fantasie, die Religion und die Sehnsucht sowie eigenes autonomes Denken als überholte Einbildung der Spezies Mensch erscheinen. Horkheimer stellt fest:
Im zwanzigsten Jahrhundert ist das Objekt des Gelächters nicht die konform gehende Menge, sondern vielmehr der Sonderling, der es immer noch wagt, autonom zu denken.
Service
Alfred Schmidt, Gunzelin Schmid Noerr (Hg.), "Gesammelte Schriften", Verlag Fischer
Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, "Dialektik der Aufklärung", Verlag Fischer
Max Horkheimer, "Traditionelle und kritische Theorie", Verlag Fischer
Max Horkheimer, "Zur Kritik der instrumentellen Vernunft", Verlag Fischer
"Max Horkheimer mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten", dargestellt von Helmut Gumnior und Rudolf Ringguth, Verlag Rowohlt
Rolf Wiggerhaus, "Max Horkheimer. Begründer der 'Frankfurter Schule'", Societäts-Verlag
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Laurie Anderson
Gesamttitel: LANDFALL
Titel: The electricity goes out and we move to a Hotel/instr.
Solist/Solistin: Laurie Anderson /Keyboard, Violine, Samples, Perc., Filters
Ausführende: Kronos Quartet
Ausführender/Ausführende: David Harrington /Violine
Ausführender/Ausführende: John Sherba /Violine
Ausführender/Ausführende: Hank Dutt /Viola
Ausführender/Ausführende: Sunny Yang /Violoncello
Länge: 03:04 min
Label: Warner/Nonesuch Rec. 755979338