Zwischenruf

Luise Müller über Gleichberechtigung von Mann und Frau

"Internationaler Frauentag" von Luise Müller, emeritierte Superintendentin der evangelischen Diözese Salzburg/Tirol

In Berlin ist heute Feiertag. Nicht nur weil Sonntag ist, sondern weil Internationaler Frauentag ist. Arbeitsfrei wäre auch, wenn der Frauentag auf einen Werktag fiele. Erst im vergangenen Jahr wurde das beschlossen. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll.

Als ich im Jahr 1974 heiratete, war mein Mann ab sofort der Haushaltsvorstand. Theoretisch war er das Oberhaupt der Familie, konnte also z.B. bestimmen, ob ich berufstätig sein durfte. Erwachsen geworden im Umfeld der 68er Bewegung war das ein Schock. Was sollte das? Ich hatte bisher viele Entscheidungen autonom getroffen. Dass ich Theologie studieren wollte, z.B. Das hatte meine Eltern zwar überrascht, aber offensichtlich waren meine Argumente so überzeugend, dass sie mir die Freiheit ließen. Und jetzt sollte mein Mann entscheiden, ob ich ein Bankkonto eröffnen durfte? Es war für mich längst überfällig, dass diese unsägliche Regelung vom Mann als Familienoberhaupt im Jahr 1975 geändert wurde.

Ein paar Jahre später., ich hatte das Studium und auch die Jahre der praktischen Ausbildung hinter mir und 13 Monate nach unserer ersten Tochter kam unsere zweite auf die Welt. Unbeschreiblich glücklich über meine Lebenssituation gab ich dem Drängen meiner Kirchenleitung nach und kündigte, weil ich der Meinung war, ich könne jederzeit wieder anfangen, als Pfarrerin berufstätig zu sein.

Dass das nicht so einfach war, musste ich in den nächsten 15 Jahren lernen. Auch als ich als Superintendentin gewählt wurde, gab es doch auch Bedenken, wie ich denn das schaffen wolle, sei ich doch mit Mann und drei Kindern belastet. Und ich gestehe, dass es nicht nur die Liebe zu meinem Beruf war, die mich antrieb. Ich wollte es den skeptischen Männern zeigen, dass man auch als Familienfrau das Zeug zur Kirchenleitung drauf hat. Im Rückblick war es richtig, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe. Leicht war er nicht immer.

Frauen sind ebenso wie Männer Ebenbilder Gottes. Das glaube ich als Christin. Und als solche Ebenbilder Gottes sind wir ebenso wie Männer dazu berufen, die Welt zu gestalten. Für mich heißt das, wo immer wir uns unnötig unterordnen, uns kleinmachen, in die Rolle des dienenden Dummchens drängen lassen, nehmen wir Gottes Auftrag nicht ernst. Wo immer von außen - und sei es von Kirchen - diese Haltung an uns herangetragen wird, nehmen auch sie meiner Meinung nach den Auftrag Gottes nicht ernst genug.

Ich bin als Frau Gottes Ebenbild und deshalb genau wie ein Mann dazu berufen, Welt und Kirche zu gestalten. Dass dieser Anspruch auch heute auf Widerspruch stößt, nicht nur bei Männern, nein, sogar bei Frauen, ist für mich ein großes Ärgernis. Die einen fürchten möglicherweise um Macht, Ansehen und Spielräume. Und für manche Frauen scheint es bequemer, sich in der Opferrolle zu verstecken, anstatt aktiv gegenzusteuern.

Leider wurden die Themen der Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen in letzter Zeit durch andere, scheinbar wichtigere überlagert. Doch Gender Pay Gap, Altersarmut von Frauen, das Fehlen von Frauen in Führungspositionen, alles das und noch viel mehr spricht dafür, dass wir noch längst nicht dort sind, wo Männer und Frauen ihre Gottesebenbildlichkeit in gleicher Weise leben können. Und solange das nicht der Fall ist, bin ich weiterhin eine Verfechterin der Frauenquote.

Wahrscheinlich ist der Internationale Frauentag als arbeitsfreier Feiertag gar kein so schlechtes Signal, das die Berliner da aussenden. Doch gleichzeitig ist es auch erschütternd, dass wir uns am Anfang des 21. Jahrhunderts noch immer mit dieser Problematik auseinandersetzen müssen.

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Traditional
Bearbeiter/Bearbeiterin: Sinead O'Connor
Bearbeiter/Bearbeiterin: Adrian Sherwood
Bearbeiter/Bearbeiterin: Skip McDonald
Bearbeiter/Bearbeiterin: Alan Branch
Album: FAITH AND COURAGE
Titel: Kyrie eleison
Solist/Solistin: Sinead O'Connor /Gesang m.Begl.
Länge: 02:45 min
Label: WEA / Atlantic 7567833372

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