Die deutsche Schauspielerin Martina Gedeck mit Filmhund während einer Szene

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Gedanken für den Tag

Julian Pölsler über Marlen Haushofer

"Ein neues Leben in der fremden Welt". Julian Pölsler, Regisseur und Drehbuchautor, greift Aspekte aus dem Film "Die Wand" heraus und stellt seine persönlichen Assoziationen und Gedanken dazu vor

Marlen Haushofer beginnt den letzten Absatz ihres Romans "Die Wand" damit, dass die Protagonistin ihren Bericht, den sie den ganzen Winter über geschrieben hat, an den dämmrigen Nachmittagen, vor denen sie so viel Angst hatte, mit den Worten:

"Jetzt bin ich ganz ruhig. Ich sehe ein kleines Stück weiter. Ich sehe, dass dies noch nicht das Ende ist. Alles geht weiter. Stier, Perle, Tiger und Luchs wird es nie wieder geben, aber etwas Neues kommt heran, und ich kann mich ihm nicht entziehen. Die Erinnerung, die Trauer und die Furcht werden bleiben und die schwere Arbeit, solange ich lebe. Heute, am fünfundzwanzigsten Februar, beende ich meinen Bericht. Es ist kein Blatt Papier übriggeblieben. Es ist jetzt gegen fünf Uhr abends und schon so hell, dass ich ohne Lampe schreiben kann. Die Krähen haben sich erhoben und kreisen schreiend über dem Wald. Wenn sie nicht mehr zu sehen sind, werde ich auf die Lichtung gehen und die weiße Krähe füttern. Sie wartet schon auf mich."

Ist sie ruhig, weil sie weiter sieht? Kann man ruhiger sein, wenn man weiter sieht? Wie weit können wir sehen, wir, die wir mit geschlossenen Augen auf dem Rücken liegend auf den großen Wasserfall zutreiben? Die Gewissheit, dass dies noch nicht das Ende ist, lässt ihre Heldin ruhiger werden. Aber kann ich wirklich ruhiger werden, auch wenn ich erkenne, dass dies noch nicht das Ende ist? Eines Tages wird es das Ende sein. Wie kann ich ruhig sein, wo ich doch nicht einmal weiß, ob es eines fernen Tages sein wird, oder im nächsten Augenblick? Wie kann ich ruhig sein, wenn ich nicht weiß, was wartet? Letzten Endes: Was wartet auf mich - am Ende? Kein Ende. Sondern eine Verwandlung. Christus sagt: Wer an mich glaubt, der wird ewig leben. Ja. Das glaube ich.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach/1685 - 1750
Album: BACH: SONATEN U.PARTITEN FÜR VIOLINE SOLO BWV 1001-1006 - J.Fischer
* Preludio - 1.Satz (00:03:25)
Titel: Partita für Violine Nr.3 in E-Dur BWV 1006
Solist/Solistin: Julia Fischer /Violine < Jean Baptiste Guadagnini, 1750 >
Ausführender/Ausführende: Julia FISCHER/geb.1983 München
Länge: 02:00 min
Label: PentaTone classics 5186072 (2

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