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Gedanken für den Tag
Harald Klauhs über Friedrich Hölderlin
"Was bleibet aber, stiften die Dichter". Anlässlich des 250. Geburtstages von Friedrich Hölderlin beleuchtet der Literaturredakteur der Tageszeitung "Die Presse" Harald Klauhs Aspekte aus Werk und Leben des Dichters
19. März 2020, 06:56
Hölderlin und die Religion
"Eines zu sein mit Allem, das ist das Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen." Diese tief empfundene, religiöse Sehnsucht ist Triebfeder des Lebens von Hölderlin und bestimmt sein Werk. Er witterte die Zersplitterung des Menschen infolge der Aufklärung, erkannte den Verlust der "Harmonie des Wesens", wie Schiller das nannte, und war seiner Zeit damit weit voraus. Mithilfe der Dichtung wollte er die verlorene Einheit wiederherstellen. Ein aussichtloses Unterfangen, über dem man nur verrückt werden kann.
Dass der Knabe bei seiner Ausbildung zum Pfarrer mehr von den antiken Autoren wie Aischylos, Euripides, Homer und vor allem Pindar fasziniert sein würde als von der Bibel, damit konnte seine fromme Mutter nicht unbedingt rechnen. Den alten Griechen ist der Begriff Religion unbekannt. Für sie gab es die Schönheit, und die war göttlich. Hölderlin begab sich deshalb auf die Suche nach einem Prinzip, das die Differenz zwischen Subjekt und Objekt aufhebt und in eine neue Ganzheitlichkeit überführt. Die fand er in einer "Mythologie der Vernunft". Seine Dichtung galt ihm dabei als "ästhetische Erziehung des Menschen".
"Viel hat von Morgen an, / Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander, / Erfahren der Mensch; bald sind wir aber Gesang." So tönt es aus Hölderlins "Friedensfeier", einem Gedicht nach dem Frieden von Lunéville von 1801. Darein setzt er seine Hoffnung auf die große Versöhnung. In diesem Gedicht ist seine Sehnsucht nach einer Einheit von antiker Mythologie und christlicher Religion paradigmatisch formuliert.
Die Philosophie, zumal jene Kants, wirkte für Hölderlin zerstörerisch, indem sie Distanz schafft, zur Welt, zur Wirklichkeit, zu sich selbst. Die Anrufung von Helden und Göttern, wie es seine Dichtung tut, erzeugt dagegen eine neue Gemeinschaft, eine Vereinigung von Innen und Außen. Ihm geht es um die als Erlösung empfundene Erfahrung der aufgehobenen Trennungen. Wie in der Eucharistie: Aus Wort wird Fleisch. Mit seinen Versen wollte er eine versöhnte Welt schaffen, im gemeinsamen Erlebnis der Schönheit - und konnte damit nur scheitern.
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Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Joseph Haydn/1732 - 1809
Titel: Konzert für Klavier und Streichorchester in C-Dur Hob.XVIII/10
* Moderato - 1.Satz (00:03:37)
Klavierkonzert
Orchester: Wiener Kammerorchester
Leitung: Philippe Entremont
Solist/Solistin: Philippe Entremont /Klavier
Länge: 03:37 min
Label: Teldec 843480