Toni Faber

APA/HERBERT NEUBAUER

Gedanken für den Tag

Toni Faber über den Stephansdom

"Aus Asche erstanden" - Gedanken in der Karwoche von Toni Faber, Dompfarrer, Dechant und Domkapitular zu St. Stephan

Am heutigen Karfreitag wird von Christinnen und Christen ganz bewusst das Leid in den Mittelpunkt des Betrachtens und Betens gestellt. Nicht, weil irgendwer das Leid verherrlichen wollte und gar jemanden anderen damit provozieren wollte.

Doch leidvolle Ereignisse gibt es in jedem Leben. Jeder und jede kann sprichwörtlich ein Lied von eigenen schmerzhaften Erfahrungen singen. Dass die Kirche das Leid durch die Corona-Pandemie nicht ausklammert, dient dazu, den eigenen Blick zu schärfen, damit wir das vielfältige Leid in dieser Welt besser wahrnehmen, und es nicht als ein unvermeidliches Schicksal stehen lassen. Das Durchschreiten der Stationen des Kreuzweges Jesu, auch wenn das in diesen Tagen oft nur virtuell möglich ist, soll die Aufmerksamkeit für alle Formen des Leides in dieser Welt erhöhen, die Menschen so schwer auf die Schultern drückt, dass sie wie Jesus von der Last des Kreuzes ja selbst zu Boden gedrückt werden und oft nicht mehr ohne fremde Hilfe auskommen.

Am Beginn der Karfreitagsliturgie streckt sich der Priester vor dem abgedeckten und nackten Altar auf dem Boden der Länge nach hin. Um unser Ausgestrecktsein und unsere demütige Bitte zum Ausdruck zu bringen, dass wir auf die Zusage Gottes um Beistand vertrauen dürfen.

Nach dem sogenannten großen Fürbittgebet an diesem Tag, wo die gläubige Gemeinde um Frieden und Heil für alle verschiedenen Teile der Menschheit bittet, wird im Stephansdom normalerweise unser wertvolles gotisches Baumkreuz verwendet, um dann in feierlicher Prozession die ganze Gemeinde zur innigen Verehrung einzuladen. Ein mystischer Moment, der mich seit Jahrzehnten immer im tiefsten Herzen berührt, wenn dieses uralte Kreuz von Kardinal Schönborn in Händen getragen wird und dem gläubigen Volk entgegengehalten wird und dabei die wunderbaren Improperien-Gesänge von Palestrina durch den Domchor erklingen.

Dieses Jahr ist alles anders, doch der Blick auf das Kreuz ist für gläubige Christinnen und Christen mit der Hoffnung auf das Wahrwerden der Worte Jesu verbunden, der uns versprochen hat: "Wenn ich einst von der Erde erhöht bin, dann werde ich auch euch an mich ziehen. Damit auch ihr einmal dort seid, wo ich bin!"

Gestaltung: Alexandra Mantler

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach/1685 - 1750
Titel: Adagio in h-moll - Nr.2 aus dem Osteroratorium BWV 249 "Kommt, eilet und laufet"
Solist/Solistin: Heinz Holliger /Oboe
Orchester: Academy of St.Martin in the Fields
Leitung: Heinz Holliger
Länge: 04:13 min
Label: Philips 4114662

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