Medizin und Gesundheit

Die Krise in der Krise

Zwischen Einsamkeit und Überforderung in der Heimquarantäne


Die Auswirkungen der SARS-CoV-19-Epidemie gehen bekanntlich weit über die gesundheitlichen Aspekte hinaus. Neben den volkswirtschaftlichen Einbußen und individuellen, finanziellen Engpässen sind es vor allem die psychischen Probleme, die in den beengten Verhältnissen der eigenen vier Wände eskalieren. Es brodelt in den Partnerschaften und zwischen den Generationen. Nun, da eine langsame Öffnung möglich ist, werden sich die in der Quarantäne freigelegten Konflikte wohl in der einen oder anderen Form entladen, sei es in der Familienberatungsstelle oder beim Scheidungsanwalt.

Schwere Zeit für Kinder und Jugendliche

Auch wenn die Schulschließungen Mitte März bei den Schülerinnen und Schülern anfangs durchaus auf Gegenliebe gestoßen sind, wurde es für die meisten Kinder und Jugendlichen rasch eng in den eigenen vier Wänden. Der Mangel an Platz, das Fehlen der Freundeskreise und der allzu intensive Kontakt mit der eigenen Familie drücken auf das Gemüt. Auch der Erfolg des "Home-Schooling" hängt nicht zuletzt vom Engagement der Eltern und der Verfügbarkeit technischer Mittel zu Hause ab.
Gerade für Kinder und Jugendliche, die bereits zuvor mit problematischen Familienstrukturen zu kämpfen hatten, wird ihr Zuhause rasch zum Gefängnis. Der Anstieg häuslicher Gewalt ist evident. Gerade jetzt ist es wichtig, so der Kinder- und Jugendpsychiater Paul Plener, das Augenmerk auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen zu lenken und sie zu unterstützen. Telefonische Hilfsangebote wie etwa "Rat auf Draht", wurden stark frequentiert. "Wir machen uns auch Sorgen, dass nun mehrere Risikofaktoren für eine erhöhte Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen zusammenkommen", so Paul Plener.

Berührungsloser Besuch auch bei demenzkranken Personen?

Dem Zuviel an familiärem Miteinander steht ein Zuwenig an sozialen Kontakten gegenüber. Die Einsamkeit wird von vielen alleinstehenden Menschen in dieser Zeit überaus schmerzhaft empfunden. Vor allem weil man über viele Wochen hinweg selbst von der eigenen Familie nicht besucht werden durfte.
Bald sind zwar wieder Besuche in Pflegeeinrichtungen möglich, ab 4. Mai werden die strengen Besuchsbeschränkungen gelockert. Hier sollen Begegnungszonen helfen, die Sicherheitsrichtlinien einzuhalten. In einigen Häusern wurden Besucherräume eingerichtet, wo ein Sichtkontakt und Gespräche möglich sind. Doch gerade bei pflegebedürftigen Menschen mit dementiellen Erkrankungen ist das zu wenig, erklärt Teresa Trattner, Obfrau des Vereins Würde.Ich.Würde.Wir. Die Validation, die einen Grundstein bei der Betreuung von Demenzkranken darstellt, sei ohne körperlichen Kontakt, als wesentliche Form der Kommunikation, nicht möglich. Sie fordert hier eine Lösung, die über den Aspekt der Sicherheit hinausgedacht ist.

In der aktuellen Ausgabe des Radiodoktors versucht Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos mit ihren Gästen Wege aufzuzeigen, wie man mit den psychosozialen Konsequenzen der Corona-Krise umgehen kann.

Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
Sendungsvorbereitung: Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Fragen:
Ist Ihnen in der Zeit der Ausgangsbeschränkungen die Decke auf den Kopf gefallen?
Hat es innerfamiliäre Spannungen gegeben?
Haben Sie in dieser Zeit psychosoziale Hilfestellung in Anspruch genommen?
Wie beurteilen Sie die Restriktionen von Besuchen in Pflegeeinrichtungen?

Service

Gäste am Telefon:

Univ.-Prof. Dr. Paul Plener, MHBA
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
T: +43/1/40400-30110
E-Mail
Homepage

Prim. Dr. Fritz Riffer
Psychosomatisches Zentrum Waldviertel - Klinik Eggenburg
Grafenberger Straße 2
A-3730 Eggenburg
Tel: +43/2984/20228
E-Mail
Homepage

Mag.a Teresa Trattner
Juristin
Obfrau des Vereins Würde.Ich.Würde.Wir
Tel: +43/664/1839940
E-Mail

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Hilfe für Kinder und Jugendliche
Rat auf Draht
Tel: 147
Homepage

Familienberatungsstellen "aufleben" Erzdiözese Wien
Telefonische Beratung, Videotelefonie und Videokonferenz
Informationen Mo-Fr 9.00-13.00
Tel: 0676 /668 89 02
Homepage

Berufsverband Österreichischer PsychologInnen
Helpline 01/504 8000
E-Mail

Kriseninterventionszentrum
01 406 95 95

Telefonseelsorge
Tel: 142

Krisentelefon NÖ (Österreichweit)
0800 20 20 16

Hilfe für Frauen
Frauenhelpline: 0800/222 555
E-Mail

Begegnungszonen in Heimen (news.orf.at, 28.4.2020)
Phasen der Validation von Naomi Feil (minimed)
Demenzerkrankungen und Corona (Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.)
Pflege und COVID 19 (Pflegenetz)
Schutzschirm für Kinder und Jugendliche (Presseaussendung der Kinder- und Jugendanwaltschaft 3/20)
Was macht soziale Isolation mit Kindern (Netdoktor.at)
Einsamkeit (Info der Familienberatung)
Was macht die Isolation mit uns? (NDR 4/2020)
Informationsblatt zur häuslichen Isolation (BÖP, Berufsverband Österreichischer Psychologinnen)

Buch-Tipps:

Manfred Spitzer, "Einsamkeit - die unerkannte Krankheit: schmerzhaft, ansteckend, tödlich",
Droemer Verlag 2018

Naomi Feil, Vicki de Klerk-Rubin, "Validation: Ein Weg zum Verständnis verwirrter alter Menschen", Ernst Reinhardt Verlag 2017

Jesper Juul, "Familienberatung: Worauf es ankommt, wie sie gelingt", Kösel Verlag 2015

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