Medizin und Gesundheit

Zauberlehrlinge am Erbgut?


Die Zukunft hat schon begonnen ...

Die Genomchirurgie setzt das Messer dort an, wo man die Wurzel einer Erkrankung vermutet: Im Erbgut. Operiert wird nicht im OP, sondern im Labor und die Entwicklung neuer Methoden erfolgt in einer Geschwindigkeit, die so manch Ethikern allzu rasant erscheint. Der Grundstein für die Gentechnik wurde bereits in den 1970er-Jahren gelegt. 1993 beschrieb Francisco Mojica den CRISPR-Lokus. Dann 2012 erfolgte der Durchbruch. Die französische Biochemikerin Emanuelle Charpentier und ihre amerikanische Kollegin Jennifer Doudna entwickelten das Verfahren CRISPR Cas9. Diesen Mechanismus benutzen Bakterien, um sich vor Virenangriffen zu schützen.
Dieses "Gene-Editing" gilt als verhältnismäßig einfache und kostengünstige Methode, Gensequenzen herauszuschneiden und zu ersetzen.
Dabei hinkt der gesellschaftlich-ethische Diskurs den technischen Möglichkeiten hinterher. Der chinesische Biophysiker He Jiankui hat 2018 an der Universität Shenzhen die Gene von Zwillingen mit Hilfe dieses Verfahrens manipuliert, um sie vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Der Eingriff in das Erbgut von Embryonen galt als Tabubruch, der auch ohne Rückendeckung erfolgte. Da He Jiankui auf eigene Faust agierte, wurde er von der Universität entlassen und 2019 aufgrund seiner Keimbahn-Experimente zu einer Haftstrafe von 3 Jahren verurteilt.
Ethiker fordern daher, die derzeitige Fachdiskussion in eine gesellschaftliche Debatte zu verwandeln. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Expertenrat bestimmt, der Richtlinien für den Einsatz solcher Techniken erarbeiten und überwachen sowie den gesellschaftlichen Diskurs anregen soll. Dennoch sind die Bestimmungen zur Genmanipulation an Menschen, Tieren oder Pflanzen international überaus uneinheitlich.
Hoffnung hegt man vor allem bei der Behandlung schwer kranker Personen, die an seltenen Gendefekten leiden. Dies sei, so die Ethikerin Christiane Druml auch weniger problematisch als eine Manipulation an Embryonen oder Keimzellen. Denn diese Veränderung hätte nicht absehbare Auswirkungen auf kommende Generationen. An der Universitätsklinik Salzburg erforscht man zurzeit die Anwendung von CRISPR-CAS9 bei Kindern, die an der seltenen Hautkrankheit Epidermolysis bullosa (sogenannte "Schmetterlingskinder") leiden. Mittels Gentherapie soll dabei ein defektes Gen durch ein intaktes ersetzt werden. Wie präzise und sicher der Einsatz von CRISPR-CAS9 tatsächlich ist, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen.
In der aktuellen Ausgabe des Radiodoktors stellt Markus Hengstschläger mit seinen Studiogästen die Möglichkeiten, die sich durch die CRISPR/Cas9-Methode ergeben, vor, und beleuchtet auch die dazu geführten ethischen Debatten.

Service

Studiogast im Funkhaus Wien:

Dr.in Christiane Druml
Juristin und Bioethikerin, Vorsitzende der Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes der Republik Österreich
Direktorin Josephinum
UNESCO Lehrstuhl für Bioethik
Währinger Straße 25
A-1090 Wien
Tel: +43/1 40160 26001
E-Mail
Homepage

Am Telefon:

Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer
Facharzt für Dermatologie
Leiter der Arbeitsgruppe für Genetik und regenerative Medizin der ÖGDV
Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie
Landeskliniken Salzburg
Müllner Hauptstr. 48
A-5020 Salzburg
Tel: +43 662/4482-3001
E-Mail
Homepage


Quellen und Links:

Der gen-editierte Mensch (Arge ITA-AIT Parlament 2019)

Trailer zum Film Human Nature - Die CRISPR-Revolution

Wohin führt die CRISPR-Revolution? (science.orf.at 2019)

Als die Welt sich vor zwei Babys gruselte - (Salzburger Nachrichten)

EB Haus (Expertisezentrum für Epidermolysis bullosa)

DEBRA - Hilfe für Schmetterlingskinder

Bioethik-Kommission diskutiert zur Gen-Chirurgie (BKA 2016)

Wunderwaffe der Gentechnik (Wissenschaft im Dialog 2017)

Feinschliff der Genschere CRISPR/CAS9 (ÖAW 2019)


Bücher:

Toni Cathomen
CRISPR/Cas9 - Einschneidende Revolution in der Gentechnik
Springer Verlag 2018

Jennifer A. Doudna, Samuel H. Sternberg
Eingriff in die Evolution: Die Macht der CRISPR-Technologie und die Frage, wie wir sie nutzen wollen
Springer Verlag 2018

Rüdiger Trojok
Biohacking: Gentechnologie für alle
Franzis 2016

Reinhard Renneberg, Darja Süßbier
Biotechnologie für Einsteiger
Springer Spektrum 2018

Sendereihe