Christian Scheib und Elke Tschaikner

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Le week-end

Samsons Löwenmähne

Samson, oder: Über G'scherte und Langhaarige

Was wissen wir schon vom alttestamentarischen Samson, außer dass ihn der Verlust seiner langen Haare seiner herkulischen Kraft beraubte? Meist wenig. Es ist an der Zeit für eine le week-endische Aufklärungsexpedition. Beginnen wir mit dem bemerkenswerten Zentralmotiv der Geschichte, der kulturgeschichtlich maßgeblichen Unterscheidung zwischen langer und kurzer Haartracht, zwischen Langhaarigen und "Gscherten". Samson befindet sich ja mit seiner Löwenmähne für Jahrtausende in bester Gesellschaft. Und das im Wortsinn.
Diesbezüglich ein kurzer Ausflug in die Etymologie: Die Bezeichnung "G'scherter" bekam ja deswegen ihre Bedeutung, weil das Tragen langer Haare jahrhundertelang der adeligen Welt vorbehalten war, die Untertanen sich hingegen das Haar "scheren" mussten, also Gescherte waren. Davon berichtet - bezüglich Mitteleuropa - schon Tacitus in seiner "Germania", geregelt war das noch in der mittelalterlichen Ständeordnung, wo den unfreien Bauern das Tragen langer Haare ebenfalls untersagt war.
Wie und wann auch immer im von Nat King Cole im "Song of Delilah" besungenen Nahen Osten oder in späteren Jahrhunderten das Tragen langer Haare Zeichen von Kraft und Stärke, zumindest also ein Statussymbol war, das vergangene europäische Jahrhundert wusste davon wenig. Niemand war "G'scherter", also besser und pingeliger "geschert", als die führenden Vertreter des bürgerlichen, kleinbürgerlichen und proletarischen Lebens des 20. Jahrhunderts. Und in dieser Hinsicht spielt es keine Rolle, ob man von Sovjets, von Nazis, von US-Moralisten, oder von Wiederaufbaueuropäern redet: Alles penibel gestriegelt, geschniegelt, geschert. Diesen Generationen von Gscherten wiedersetzten sich dann erst die Hipsters und letztendlich die Hippies. Manch Drogen der Elterngeneration werden durch Haschischzigaretten ersetzt, lange Haare adeln einen nun zum Mitglied einer Alternativgesellschaft. Man setzt sich zusammen, ein Joint macht die Runde, und sosehr eine gewisse Langsamkeit zum Stil gehört, gar zu lang sollte es wieder auch nicht dauern, bis man ihn weitergereicht bekommt, den Joint. Humphrey Bogart fungiert als Chiffre für coole Langsamkeit und zugleich deren Übertreibung. Eine Hymne; in aller Langsamkeit vorgetragen von der natürlich betont langhaarigen - nomen est omen - "Fraternity of Man": "Don't Bogart That Joint, My Friend".
Im le week-end zum Thema "Samson, oder: Über G'scherte und Langhaarige" treten außerdem in den Zeugenstand: Georg Friedrich Händel, Beck mit "Devil's Haircut", die französische Barockkomponistin Elisabeth-Claude Jacquet de la Guerre, Reverend Gary Davis, Claude Debussy, Oswald von Wolkenstein, Benny Goodman, Mae West und selbstverständlich Camille Saint-Saens.

Sendereihe

Gestaltung

  • Elke Tschaikner
  • Christian Scheib