ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Gedanken für den Tag
Michael Bünker über Walter Benjamin
"Der Engel der Geschichte". Anlässlich von Walter Benjamins 80. Todestag erinnert der evangelische Theologe und emeritierte Bischof Michael Bünker an den Philosophen, dessen Einfluss auf die moderne Philosophie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts enorm war
22. September 2020, 06:56
Schritt für Schritt entfernte sich Walter Benjamin, dieser Wachrüttler, von der Welt seiner Eltern. Zwei Jahre verbrachte er in einem Internat in Thüringen, wo er, ganz im Trend der Zeit, reformpädagogisch erzogen wurde und der Jugendbewegung nahe kam. Der Jugend gehört die Zukunft, so hörte er es, die Jungen sind ihren Eltern ethisch überlegen, sie sind einfach die besseren Menschen.
Sein Lehrer weckte Walters Interesse für Philosophie und Literatur. Als Folge davon studierte er Philosophie und Philologie. In Freiburg, Berlin, München, zuletzt auch in Bern. Dort lernte er den jungen Ernst Bloch kennen.Aber das ursprünglich so gute Verhältnis zu seinem verehrten Lehrer aus Thüringen zerbrach 1914 zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Der hatte den Krieg nämlich - wie so viele andere auch - begeistert begrüßt. Walter Benjamin hingegen hat ihn von Anfang an abgelehnt und entzog sich erfolgreich der Einberufung.
In die Jahre des Krieges fiel auch seine Loslösung vom Elternhaus. 1917 heiratete er Dora Pollack, ein Jahr später bekamen sie ein Kind. Der Vater erwartete zwar nach wie vor, dass Walter einen anständigen Brotberuf erlernt und dass die junge Familie ins Elternhaus zieht. Aber beides geschah nicht. Dora arbeitete als Übersetzerin und hielt damit die Familie über Wasser. Und Walter war keinesfalls bereit, wie sein Vater zu einem Anhänger der profanen Religion des Kapitalismus zu werden.
Die revolutionären Aufbrüche, die er erlebte, begrüßte er. Aber optimistisch sah er nicht in die Zukunft. Einige Jahre nach dem Krieg schrieb er: "Pessimismus auf der ganzen Linie. Misstrauen in das Geschick der Literatur, Misstrauen in das Geschick der Freiheit, Misstrauen in das Geschick der europäischen Menschheit, vor allem aber Misstrauen, Misstrauen und Misstrauen in alle Verständigung: die zwischen den Klassen, zwischen den Völkern, zwischen den Einzelnen."
Woher sollte, so von Misstrauen geprägt, für einen, der aus der Traumwelt erwacht, Hoffnung kommen?
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Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Kurt Weill/1900 - 1950
Titel: Kleine Dreigroschenmusik - Suite für Blasorchester aus der "Dreigroschenoper"
* Tango Ballade (00:02:42)
Orchester: London Sinfonietta
Leitung: David Atherton
Länge: 02:42 min
Label: DG 4232552