Michael Landau über Krisenbewältigung

17. November 2020, 06:56

Mir war lange nicht klar, dass es einen Zusammenhang zwischen Corona und Fußball geben sollte. Nicht bis zu dem Zeitpunkt, als der Leiter eines unserer Pflegewohnhäuser gesagt hat: "Wir erleben gerade einen gefährlichen Spielstand. Wir führen 2:0 gegen das Virus. Doch so schnell kannst du nicht schauen und wir kassieren ein Gegentor und dann noch eines. Und plötzlich ist das ganze Spiel wieder offen."

Mustafa, so der Name, hat diesen Vergleich im Sommer angestellt. Der erste Lockdown war gerade vorüber. Viele haben sich in der Annahme gewiegt, die Pandemie wäre es auch. Doch unser Pflegehausleiter hat damals hinzugefügt: "Gewinnen können wir das Spiel jetzt nur mit Disziplin." Wenige Wochen später sollten die Infektionszahlen wieder in gefährliche Höhen klettern. Nun also: Verlängerung und zweiter Lockdown.

Wenn ich eine unserer Lebensmittelausgabestellen besuche, sehe ich, wie sehr die Krise unser Land bereits verändert hat. Für viele ist die Gesundheitskrise zu einer sozialen Krise geworden. Menschen, die nie gedacht hätten, je auf Caritas-Hilfe angewiesen zu sein, brauchen plötzlich unsere Unterstützung. Alleinerziehende, Familien mit Kindern, alte Menschen. Ich sehe aber auch große Hilfsbereitschaft. Tausende neue Freiwillige haben sich gemeldet. Nachbarn gehen füreinander einkaufen. Und die überwiegende Mehrheit hält sich auch an Mustafas Rat, diszipliniert durch diese Zeit zu gehen. Wir halten Abstand und bleiben uns dennoch innerlich nahe.

Es gibt nicht viel Positives, das man dieser Pandemie abgewinnen könnte - zu viele Menschen wissen aktuell nicht, wie sie ihre Wohnung warmhalten und den Kühlschrank füllen sollen. Doch eine zentrale Erfahrung sollten wir uns bewahren: Nie zuvor war so deutlich, dass unser aller Tun und Lassen einen großen Unterschied macht. Im Kampf gegen Corona, aber eben auch im Kampf gegen die Klimakrise, im Einsatz für eine gerechtere Welt. Wir alle können einen Beitrag leisten. Es kommt auf jede und jeden einzelnen an.

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