Beate Winkler über die Kunst der Möglichkeit

30. November 2020, 06:56

Innehalten. Hoffen. Staunen über Möglichkeiten, die sich im Leben immer wieder auftun. All das bedeutet für mich Advent. Dieses Jahr haben wir das Innehalten ungewollt lernen müssen.

Für viele Menschen hat es dramatische Folgen. Sie erleben Krankheit oder den Verlust des Arbeitsplatzes. Viele sehen sich unerwartet mit einer unerträglichen Mehrbelastung oder auch Einsamkeit konfrontiert. Andere wiederum nehmen in dieser Situation auch Chancen wahr. Ich gehöre zu den Letzteren. Natürlich sehe ich die Probleme, die Gefahren und auch die ungeheure Kränkung für das Selbstverständnis: "Alles ist möglich und alles ist machbar".

Was tun in einer solchen Situation? Mittlerweile kann ich auf eine reiche Lebenserfahrung zurückblicken. Ich habe im Leben auch vieles gelernt, was ich eigentlich gar nicht lernen wollte. Aber auch aus schwierigen Situationen haben sich immer wieder unerwartete Chancen ergeben. Projekte, die zu meinem Ärger verschoben wurden, erfuhren später eine breitere Unterstützung. Ein Buch, das erst zwei Jahre später erschien, traf dann den Kern der aktuellen Situation. Aus einem Scheitern ergaben sich plötzlich neue Möglichkeiten.

Manches Mal habe ich in meinem Leben gedacht: Gott sei Dank sind meine Wünsche nicht in Erfüllung gegangen. Das Leben war einfach klüger als ich selbst. Geholfen hat mir dabei sicherlich mein Lebensmut und auch meine Lebenserfahrung. Ich kann im Leben vieles nicht verändern, meine Perspektive auf eine Situation aber von einer Sekunde zur anderen.

Warum ich das mitteilen möchte? Nicht nur, weil ich eine unverbesserliche Optimistin bin und an die Stärke der Hoffnung glaube, die uns positiv mit der Zukunft verankert, sondern auch, weil ich von der Kraft des Wortes und der Poesie überzeugt bin. Hilde Domin hat es wunderbar formuliert: "Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel, die Hand hinhalten."

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Gestaltung

• Alexandra Mantler