Medizin und Gesundheit

Psychotherapie und Beratung in Krisenzeiten

Niederschwellige und kostenfreie Angebote

So selbstverständlich man bei einer körperlichen Erkrankung medizinische Hilfe in Anspruch nimmt, so groß ist die Hürde, bei psychischen Problemen professionelle Hilfe zu suchen. Vielen Betroffenen fällt es schwer, Lebenskrisen und seelische Störungen als behandlungsbedürftig anzuerkennen. Hinzu kommt, dass Beratungen und Therapien mit Kosten verbunden sind, die den individuellen finanziellen Rahmen sprengen können. Die Krankenversicherungen gewähren nur Zuschüsse, wodurch Therapien, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, für viele kaum erschwinglich sind. Zwar besteht etwa in Wien seit 2001 die Möglichkeit einer "Psychotherapie auf Krankenschein", bei der die Kosten zur Gänze übernommen werden, allerdings sind derartige Plätze limitiert und mit langen Wartezeiten verbunden.

Mögliche Anlaufstellen

Dennoch gibt es auch für Menschen mit niedrigem Einkommen Möglichkeiten, zu einer Behandlung zu gelangen. Exemplarisch stellen wir drei Einrichtungen vor, die den Menschen auf unterschiedliche Art und Weise ein niederschwelliges Angebot machen: Die Universitätsambulanz für Psychotherapie und Psychologie an der Sigmund Freud Universität in Wien, die psychotherapeutische Ambulanz des Österreichischen Arbeitskreises für Gruppentherapie und Gruppendynamik (ÖAGG), sowie die von Familienministerium und Erzdiözese Wien gestützte Familienberatungsstelle "auf.leben". Während sich bei den psychotherapeutischen Einrichtungen Patienten auch mit psychischen Erkrankungen, Depressionen oder Angststörungen in Behandlung begeben können, stehen die Beratungsstellen all jenen offen, die durch persönliche, partnerschaftliche oder familiäre Krisen nicht mehr alleine weiterwissen.
Allen Institutionen gemein ist, dass es sich nicht um einmalige "Schnupperstunden" handelt, sondern vollwertige Therapien bzw. Beratungen angeboten werden, die entweder kostenfrei oder deren Preise sozial gestaffelt sind.
Österreichweit existieren noch zahlreiche weitere Einrichtungen, die niederschwellig psychotherapeutische bzw. beraterische Hilfe anbieten und meist von privaten Trägervereinen betrieben werden.

Angespannte Situation durch Covid-19

Die Coronakrise trägt bei vielen nicht unbedingt zu einer Entspannung des psychosozialen Befindens bei. Familiäre und partnerschaftliche Konflikte, existentielle Sorgen durch eine finanziell angespannte Situation oder das Gefühl der Einsamkeit werden durch die Pandemie angeheizt. In der psychotherapeutischen Ambulanz hat man dazu Fragebögen von 427 Patientinnen und Patienten ausgewertet. Die Hälfte der befragten Personen gab eine Zunahme von Traurigkeit in der Zeit des Lockdowns an. Viele machten sich Sorgen, weniger um die eigene Gesundheit, sondern um die ihrer Angehörigen. So war die Nachfrage nach psychotherapeutischer Hilfe entsprechend hoch. Viele Einrichtungen bauten daher ihre, bereits zuvor bestehenden Angebote zu Online-Gesprächen, stark aus. In einer Erhebung der Sigmund Freud Universität konnte gezeigt werden, dass die Scheu vor Bildschirm-Konsultationen abgenommen hat, auch bei den Therapeuten. Alfred Uhl von der Fakultät für Psychotherapiewissenschaft der SFU: "Während vor der CoViD-Krise nur 1/3 die Option einer E Psychotherapie positiv einschätzten, beurteilen inzwischen rund 2/3 der Psychotherapeuten diese Option generell positiv." 9 von 10 Therapeuten können sich vorstellen, auch nach der Krise die E-Psychotherapie als Alternative für schwer erreichbare Patienten anzubieten.

Dr. Ronny Tekal stellt in der aktuellen Ausgabe des Radiodoktors Einrichtungen vor, die angesichts der psychosozial angespannten Situation in der Covid-19-Krise und der für viele Menschen mit Einsamkeit verbundenen Weihnachtsfeiertage Hilfe anbieten.

Moderation und Sendungsvorbereitung: Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Leiden Sie unter Einsamkeit?
Fühlen Sie sich durch die Corona-Epidemie belastet?
Haben Sie aufgrund von Lebenskrisen oder psychischen Erkrankungen bereits eine psychotherapeutische Ambulanz oder eine Familienberatungsstelle in Anspruch genommen?
Erachten Sie das Angebot der psychosozialen Versorgung in Österreich für ausreichend?
Sollten die Kosten für eine Therapie generell von den Gesundheitskassen übernommen werden?

Service

Sendungsgast im Studio:

MMag.a Lisa Winter
Psychotherapeutin
Stv. Ambulanzleiterin der Psychotherapeutischen Ambulanz
Fakultät für Psychotherapiewissenschaft
Sigmund Freud Universität
Campus Prater
Freudplatz 1
A-1020 Wien
E-Mail
Homepage

Sendungsgäste am Telefon:

Karl-Heinz Teubenbacher
Psychotherapeut - personenzentrierter Psychotherapeut
Psychotherapeutische Ambulanz des ÖAGG
Marxergasse 25
A-1030 Wien
Tel: +43 1 710 57 64
E-Mail
Homepage

Günther Hanisch
Dipl. Lebens- und Familienberater, Jugendcoach und Männerberater
Ehe-, Familien- und Lebensberatung auf.leben
Beratungsstelle des Familienministeriums und der Enzdiözese Wien
Stephansplatz 6/6/624
1010 Wien
Tel: +43 676 668 89 02
E-Mail
Homepage

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Bundesweite Familienberatungsstellen (Familienministerium)
Wiener Gesellschaft für Psychotherapeutische Versorgung
Psychotherapie-Adressen (Gesundheitsministerium)
Vereinigung Österreichischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende Hemayat
Corona-Krise und Psychotherapie (TT, 4/2020)
Potential von E-Psychotherapie in Corona-Zeiten (SFU, 2020)
[https://www.pmooe.at/archiv/01-12-2020-pressekonferenz-der-krisenhilfe-o%C3%B6-einsamkeit-wird-uns-zu-weihnachten-besonders-belasten/|Einsamkeit und Corona (pro mente)

Buch-Tipps:

Robert Bering, Christiane Eichenberg, "Die Psyche in Zeiten der Corona-Krise", Klett-Kotta 2020

Jesper Juul, "Familienberatung", Kösel Verlag 2015

Otto Kernberg, Manfred Lütz, "Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?: Erfahrungen eines berühmten Psychotherapeuten", Verlag Herder 2020

Sendereihe

Gestaltung