Radiokolleg - Lexikon der österreichischen Popmusik

30. Dezember 2020, 09:45

Parov Stelar
Die Renaissance von Swing
Die Geschichte von Electro-Swing ist untrennbar mit dem Namen Parov Stelar verbunden. Die Linzer Band läutete eine Renaissance alter US-Tanzstile ein, die sich durch das Internet weiter verstärkte.
Grässlich, so beendete der britische Guardian seine harsche Kritik des dritten Albums von Parov Stelar. Seit dieser Ein-Von-Fünf-Sterne-Rezension ist viel passiert. Marcus Füreder - Kopf der Band - wurde mit Parov Stelar zu einem der größten Musik-Exportschlager aus Österreich. Er hat das Genre Electro-Swing zwar nicht erfunden, er hat es aber so weit popularisiert, dass viele das glauben. Daheim in Linz genießt der Stil mittlerweile den inoffiziellen Status nationalen Kulturerbes. Amadeus-Awards gewinnt Parov Stelar nur dann nicht, wenn die Band nichts veröffentlicht. Auftritte auf den großen Festivals der Welt verstehen sich von selbst.
Seither spricht man über Parov Stelar in Superlativen. Die Kennzahlen auf Facebook, Youtube und Spotify sind beeindruckend. Die Zahl verkaufter Platten ebenfalls. Seltener wird über die spezifische Qualität dieser Musik gesprochen. Electro-Swing verbindet Versatzstücke aus frühester Tanzmusik mit druckvoller Studiotechnik. Die Schutzrechte der Vorlagen sind meistens verjährt. Dazu werden Bässe verstärkt, das Schlagzeug kann punktgenau geschnitten werden, um den Groove tauglich für Bars, Lounges und Tanzschulen zu machen.
Dabei war der Sound von Parov Stelar anfangs von Downtempo geprägt. Die Bläser klangen cool und schwer, Tracktitel wie "Fusion" oder "Dark Jazz" deuteten allerdings schon an, dass man Stile und Soundwelten verschränken wollte. Als dann Parov Stelar seine Samples verstärkt aus frühen Tanzstilen in den Vereinigten Staaten bezog - wie Charleston, Balboa, Jitterbug oder Lindy Hop, wurden auch viele Tänzer auf die Musik der Band aufmerksam. So etwa der Australier TSC Forsythe, dessen bewegte Interpretation von "Catgroove" bis heute über 50 Millionen Mal auf Youtube aufgerufen wurde. Als wichtige Inspiration für die Electro-Swing-Formel gilt der britische Musiker Mr. Scruff. Die Einflüsse lassen sich noch weiter in die frühen 1990er Jahre zurückverfolgen, zu Stilen wie Swing House und Nu Jazz.
Marcus Füreder gründete gleich zu Beginn sein eigenes Label. Vor zehn Jahren musste er in eine Burnout-Klinik, ein weiterer Zusammenbruch folgte vor zwei Jahren. Nichts ging mehr. Der Musiker malt - so wie seine Mutter - und spricht seither auch darüber. Mit "Voodoo Sonic" veröffentlicht Parov Stelar heuer wieder eine kleine Trilogie. Das ikonische Soundgewand wurde sanft erneuert. Die Amadeus Awards stehen schon bereit.
Gestaltung: Stefan Niederwieser

Service

Spotify Playlist - Parov Stelar

Chris Inglis, The Rise Of Electro Swing, De Montfort University, 2014

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