Zwischenruf

Regina Polak über das Lachen

Warum uns das Lachen - auch in Krisen - nicht vergehen soll weiß Regina Polak, katholische Theologin und Religionssoziologin

Sehr vermisst habe ich im vergangenen Jahr das Lachen. Wenn Abstand Halten und Homeoffice angesagt sind und das Zusammentreffen in Gruppen nicht ratsam ist, reduzieren sich die Gelegenheiten des gemeinsamen Lachens. - Aber darf man angesichts der Krise und ihrer vielen Probleme überhaupt lachen? Darf ich lachen, die ich in privilegierter Situation lebe und ohne Kurzarbeit von zu Hause aus arbeiten kann?

Das Lachen, das ich vermisse, ist selbstverständlich nicht das hämische Lachen auf Kosten anderer. Ich meine auch nicht das zynische Lachen, das kaltherzig jegliche Moral und Wahrheit in Zweifel zieht und abwertet. Was mir fehlt, ist das miteinander Lachen aus ganzem Herzen.

Das Lachen, das ich meine, befreit. Es hat seine Wurzeln in der Fähigkeit, sich von der Wirklichkeit zu distanzieren und eine Situation aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Dieses Lachen setzt voraus, dass jemand die eigene Weltsicht nicht für den Nabel der Welt hält. Es befreit vom Ego. Es führt dazu, dass jemand auch über sich selbst lachen kann. So schützt dieses Lachen auch vor jeglichem Fanatismus und immunisiert gegenüber Ideologien. Deshalb wird es in autoritären Kulturen und Diktaturen auch gefürchtet.

Dieses Lachen hilft überdies, die Spannungen und Widersprüche des Lebens aufzuheben und auszuhalten. Es wird so zu einer Art kreativer Konfliktlösung. Die Unterbrechung, die ein solches Lachen ermöglicht, eröffnet Aufatmen und weitet damit die innere Freiheit. Es ist ein wunderbares Mittel gegen Verbitterung und Verzweiflung. Meiner Erfahrung nach wird so mancher verbissene, festgefahrene Konflikt nach herzlichem Lachen wieder flüssig und kann konstruktiv weitergeführt werden. Denn die Zähne, die jemand beim Lachen zeigt, sind gleichsam eine Transformation von Aggression: Statt zuzubeißen, lacht man. Deshalb bin ich auf der Hut vor Menschen, die nicht lachen können, schon gar nicht über sich selbst.

Nicht zuletzt übernimmt beim Lachen der Körper die Regie. Wer lacht, gibt sich einer Situation hin und verliert ein Stück seiner Kontrolle über sich selbst. Solches Lachen schenkt mir damit die Erfahrung purer Gegenwart. Der Theologe Karl Rahner hat deshalb festgestellt, dass das Lachen Menschen daran erinnert, dass sie endliche und fehlerhafte Geschöpfe sind - und das auf freundliche Weise. Für ihn ist das Lachen ein Geschenk Gottes, weil nur ein liebendes Herz auf solche Weise lachen kann. Auch ein chinesisches Sprichwort sagt: Gott ehrt den, der arbeitet, aber er liebt den, der lacht.

Deshalb glaube ich, dass man auch während der Corona-Krise lachen darf. Das Lachen macht uns zu Menschen. Das bedeutet keinesfalls, dass jemand, der lacht, Krisen ihres Ernstes beraubt. Im Gegenteil: Das Lachen, wie ich es verstehe, setzt sogar voraus, dass man das Leben und seine vielen Schwierigkeiten sehr ernst nimmt. Dass man genau hinsieht, zuhört und mit der Umgebung mitschwingen kann. Dann kann das Lachen jene Entspannung und Leichtigkeit schenken, die es braucht, um danach gestärkt die Lösung schwieriger Probleme anzugehen.

Deshalb halte ich auch mitten in der Krise Ausschau nach dem Komischen in manchen Situationen. Das hilft mir, so manche Corona-Maßnahmen, verschwörungstheoretische Zeitgenossinnen und -genossen oder meine Zukunftssorgen auszuhalten. Auch wenn es im kommenden Jahr vielleicht wieder nicht viel zu lachen gibt, wünsche ich mir und uns allen, dass uns das Lachen nicht vergeht! Denn das Lachen ist der beste Impfstoff gegen die Angst.

Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Pat Metheny
Gesamttitel: THE UNITY SESSIONS
Titel: Adagia/instr.
Ausführende: Pat Metheny Unity Group
Ausführender/Ausführende: Pat Metheny /Gitarre
Länge: 02:08 min
Label: Warner Music/Nonesuch 75597946888 (Doppelalbum)

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