James-Joyce-Statue am Friedhof von Zürich

APA/AFP/Fabrice COFFRINI

Gedanken für den Tag

Robert Streibel über James Joyce

"Ein Tag für die Freiheit im Denken und Spotten". Robert Streibel, Historiker und Direktor der Volkshochschule Hietzing, zum 80. Todestag von James Joyce, an dessen "Ulysses" er drei Mal gescheitert ist, bevor er zu Ende gelesen hatte

Der 16. Juni ist ein besonderer Tag. Ein Tag der Freiheit und des Spottes. An diesem Tag im Jahr 1904 begleitet der irische Dichter James Joyce in seinem Roman "Ulysses" Leopold Bloom, dessen Frau Molly und seine Freunde durch Dublin. Mit diesem Roman beginnt die Moderne und das 20. Jahrhundert.

Am Anfang des Buches wird die morgendliche Rasur von Buck Mulligan zu einer Parodie auf die Heilige Messe, gespickt mit Anspielungen und Psalmen. James Joyce, von Jesuiten erzogen, hat sich bereits früh vom Katholizismus abgekehrt. Im Lehrer Stephen Daedalus spiegelt sich auch die Geschichte des Autors, denn Stephen hat sich wie Joyce geweigert, am Totenbett der Mutter niederzuknien. James Joyce ist nichts heilig. Damit hat er eine Wegmarke gesetzt.

Eine genaue Analyse zeigt aber, dass Gott sowohl in den Kurzgeschichten als auch im "Ulysses" durchaus positiv konnotiert ist. Was Joyce unter anderem an der Institution der Kirche verachtet, wird bereits in der Sammlung der Kurzgeschichten "Dubliners" deutlich. In der ersten Geschichte stirbt ein Priester. Von allen wird nur in Andeutungen davon gesprochen, dass er "gefehlt" habe. Andeutungen, gekonnt in Szene gesetzt. Und dabei blieb es, bei Andeutungen über die Verbrechen, die Geistliche durch viele Jahrzehnte lang an Jugendlichen verübt hatten - nicht nur in Irland.

Anlässlich des Pen Kongresses 1925 meinte der Berichterstatter Ivan Goll, dass der "Ulysses" einmal als das höchste Denkmal unserer Epoche angesehen werden würde. Die Gesellschaft und die Kirche versuchten dies mit Verboten zu verhindern. In den USA wurden Ausgaben des Buches sogar öffentlich verbrannt. Erst im Jahr 1933 entschied ein amerikanischer Richter, dass das Buch nicht obszön sei. Der Kunst kann und darf nichts heilig sein. Eine Agenda, die bis heute brutal aktuell ist.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Erik Visser, A. Hensey
Titel: My land is too green
Ausführende: Mary Coughlan
Länge: 03:53 min
Label: Warner Music Group

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