Blick aus einem Fenster der Eremitage in St. Petersburg

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Radiogeschichten

Spaziergängerin zwischen den Zeiten - St. Petersburg ist überall

"Lebende Bilder". Von Polina Barskova. Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja. Es liest Irina Wanka.

Zwei Liebende stellen in den kalten Sälen der Leningrader Eremitage im Blockadewinter 1941/'42 lebende Bilder, tableaux vivants, dar. Die Rembrandt-Gemälde selbst sind längst evakuiert, aber sie halten sich während der Belagerung, die mehr als einer Million Menschen das Leben kostet, für ihr Spiel an den Erinnerungen fest.

In Bildern, den Reproduktionen von Erinnertem und Dokumentiertem, der Verbindung von persönlichem und historischem Gedächtnis - so funktioniert Polina Barskovas gesamter Prosaband "Lebende Bilder". Die russische Lyrikerin und Literaturwissenschafterin beschäftigt sich seit Jahren mit der Blockadeliteratur ihrer Heimatstadt St. Petersburg. Sie stellt sie der langgepflegten sowjetischen Version, dem "monochromen Bild von lauter makellosen Helden", entgegen.

Barskova ist eine Lyrikerin, die die Prosa suchte, um diese Geschichten zu erzählen. Die vielen Stimmen, die aus der Historie aufsteigen, brauchten mehr Platz und Zeit, als sie ein Gedicht bieten kann, schreibt sie im Nachwort. Teils schreien diese Stimmen laut durcheinander, sind körperlich nah. Dann wieder sind sie ferner, leiser, wir befinden uns am Einbürgerungsamt in Lowell/ Massachusetts - und doch wieder in einem imaginären St. Petersburg, zwischen Schneewehen am Obvodny-Kanal, bei Dostojewski, Gorky und den Dissidenten. Alles ist Teil der größeren Geschichte, ein Augenzwinkern, vielleicht auch ein Traum.

Gestaltung: Antonia Löffler

Service

Polina Barskova, "Lebende Bilder". Aus dem Russischen von Olga Radetkaja. Suhrkamp Verlag, 2020.

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