James-Joyce-Statue am Friedhof von Zürich

APA/AFP/Fabrice COFFRINI

Gedanken für den Tag

Robert Streibel über James Joyce

"Ein Tag für die Freiheit im Denken und Spotten". Robert Streibel, Historiker und Direktor der Volkshochschule Hietzing, zum 80. Todestag von James Joyce, an dessen "Ulysses" er drei Mal gescheitert ist, bevor er zu Ende gelesen hatte

Nichts ist ihm heilig diesem Joyce. Doch das stimmt nicht. Er hat den Alltag heiliggesprochen und den Menschen und ihrem Alltag eine Bühne gegeben. Um dies zu erreichen, hat er sich nicht gescheut die Odyssee, Shakespeare und Dantes Göttliche Komödie zu verwenden.

Diese literarischen Bezüge schrecken nicht wenige Leserinnen und Leser ab. Das pädagogische Konzept, das Joyce verfolgt, ist mehr als ambitioniert. Für die Helden des alltäglichen Lebens hat er sein Werk geschrieben und nicht für Germanisten. Als er die ersten gedruckten Exemplare des "Ulysses" in Paris bekommt, schenkt er ein Exemplar seinem Kellner und das zweite dem Nachtportier in seinem Hotel.

Leopold Bloom nimmt sich im Roman väterlich des jungen Intellektuellen Stephen Daedalus an. Mit diesem Paar hat Joyce auch einen Widerspruch porträtiert. Die Intellektuellen, die nur denken und wenig handeln. Auf der anderen Seite Leopold Bloom. Er handelt nicht nur, sondern zeigt auch Mitgefühl.

Dass es gerade für diesen artifiziellen Roman einen eigenen Feiertag gibt, bestätigt Joyce Bemühen um Breitenwirksamkeit. Der Bloomsday - jedes Jahr am 16. Juni - wird aber nicht nur von Intellektuellen gefeiert und dies lange bevor es die Vermarktung durch Tourismusbehörden gab.

Sich selbst als Denkmal zu sehen, war Joyce fremd. Als der amerikanische Schriftsteller Scott Fitzgerald ihm die Hand küssen wollte, weil diese Hand doch den "Ulysses" geschrieben hatte, wehrte Joyce trocken ab. "Sie wissen nicht, was ich mit dieser Hand sonst noch alles gemacht habe". Der irische Literaturwissenschaftler Declan Kibert hat eines der spannendsten Bücher über Ulysses geschrieben. Am Ende setzt er ein Zitat aus dem "Ulysses". "Ein Genie macht keine Fehler. Seine Irrtümer geschehen willentlich und sind die Pforten der Entdeckung." Man könnte auch sagen: Erst der Mut, sich zu irren, bringt uns weiter.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Ewan MacColl/1915 - 1989
Album: ALTERNATIVE EIGHTIES VOL.1
Titel: Dirty old town
Ausführende: The Pogues /Gesang m.Begl.
Länge: 03:42 min
Label: Sony/Columbia COL 5075502

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