James-Joyce-Statue am Friedhof von Zürich

APA/AFP/Fabrice COFFRINI

Gedanken für den Tag

Robert Streibel über James Joyce

"Ein Tag für die Freiheit im Denken und Spotten". Robert Streibel, Historiker und Direktor der Volkshochschule Hietzing, zum 80. Todestag von James Joyce, an dessen "Ulysses" er drei Mal gescheitert ist, bevor er zu Ende gelesen hatte

Der Roman "Ulysses" ist etwas Besonderes. Wo sind die Zeiten, wo die Augenbrauen hochgezogen wurden. "Ach sie haben ihn nicht nur am Nachtkästchen liegen, sondern auch tatsächlich gelesen."

Das Lesen von Büchern wie "Ulysses" kann im Leben hilfreich sein. Das Gedankengebäude dieses Werks ist aus drei unerschöpflichen Steinbrüchen errichtet. Da wäre einmal das Christentum, das Alte und Neue Testament, Psalmen und Geschichten inklusive, da ist Homers "Odyssee" und nicht zuletzt Shakespeare. James Joyce tut das, was totalitäre Regime bald in Wirklichkeit tun werden können, er zapft das Gehirn der Protagonisten an und wir sind scheinbar Zeuge der Gedanken und Abschweifungen der Figuren. Wir schwimmen in einem Gedankenstrom.

In diesem Roman sind die Gedanken die Handlung. Und es geht drunter und drüber. Die Leserin und der Leser fühlen sich ganz klein vor der Schöpfung, nicht vor Gott, aber vor dem Autor. Lesen wird hier zur Arbeit und zuweilen ist es auch harte Arbeit. Wer will das aber schon? Der Alltag ist doch hart genug. Kunst, das ist was für Zwischendurch und soll nicht wehtun. Doch Lernen kann nicht immer nur Freude sein, das betrifft das Erlernen eines Instruments ebenso wie das Betrachten eines Bildes oder das Lesen eines Textes. Ohne das Überwinden eines Widerstandes geht es nicht. Der Drill ist kein Lehrmeister, aber der Wohlfühlwind alleine bringt uns auch nicht weiter. Die Anstrengung betrifft die Künstlerin und den Künstler ebenso wie die Rezipienten.

Eines dürfen wir aber nie vergessen: Es gibt im Zusammenhang mit Literatur kein Richtig und Falsch, sondern es gibt eben verschiedene Varianten. Nicht die einfache Wahrheit, sondern die Variablen bestimmen das Leben. Wer das beherrscht, der ist vor allen Überraschungen gefeit. Dies zuerst in der Literatur auszuprobieren, ist sicherlich besser als in der Realität zu scheitern.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Loreena McKennitt
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: William Butler Yeats
Titel: Stolen Child
Ausführende: Loreena McKennitt
Länge: 05:04 min
Label: Quinlan Road

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