Anatomiegedenkstätte am Wiener Zentralfriedhof

ORF/JOSEPH SCHIMMER

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Wien - Welthauptstadt der Körperspender

Der Tod, das muss ein Wiener sein.
Über die Welthauptstadt der Körperspender.
Von Marlies Faulend und Gerald Navara.

Jedem von uns ist bewusst, dass das Leben eines Tages endet. Für uns, nach unserem Tod, bleiben die üblichen Begräbnisriten unter mehr oder weniger großer Anteilnahme der Hinterbliebenen.

In Wien ist ein anderer Weg für unsere sterblichen Überreste nicht unüblich. In der Bundeshauptstadt entschließen sich ungewöhnlich viele Menschen dazu, ihren Leichnam nach dem Tod der Wissenschaft zu überantworten. Über 30.000, vornehmlich aus Wien und Umgebung, haben sich als "Körperspender" im Register des Anatomischen Instituts der Medizinischen Universität Wien eintragen lassen. Das sind mehr als in ganz Deutschland.

Der "Spender" muss einen Kostenbeitrag von 990 Euro für seine Bestattung leisten, im Vergleich zu üblichen Begräbniskoten geradezu wenig, die tatsächlichen Gründe für eine Körperspende sind jedoch, wie einige Spender erzählen, oft ganz andere als die finanziellen.

Bereits 1404 wurde in Wien eine "Leichenöffnung" für wissenschaftliche Zwecke durchgeführt. Hauptgrund für die Erlaubnis durch die Kirche war das Rätseln um die Ursachen der Pestepedemien. Vor über 250 Jahren wurde die Anatomie an der Wiener Universität zum eigenen Fach. Heute kommen Mediziner aus der ganzen Welt nach Wien um Techniken an Körpern von Verstorbenen für die Rettung Lebender zu üben. Und hunderte Studenten der Medizin absolvieren jedes Jahr in den Seziersälen ihre Kurse in Anatomie. Über 1000 "Körperspender" werden jedes Jahr "bearbeitet".

Die Mitarbeiter des Instituts erzählen von ihrem Arbeitsalltag mit den Toten und ihrem Umgang damit, von der Mitarbeiterin für die Aufnahme ins Spenderregister, zur Übernahme der Verstorbenen durch die Laboranten und die nachfolgende Konservierung. Studenten schildern ihre ersten Momente im Seziersaal und die Lehrenden bis hin zum Institutsvorstand beschreiben ihren Werdegang als Mediziner, die sich letztlich mit den Toten beschäftigen.

Auch für die Körperspender führt der letzte Weg auf den Zentralfriedhof, wo sie nach ihrer Kremation in einem Sammelgrab bestattet werden. Auf kleinen Tafeln sind ihre Namen eingetragen, aber manche wollen auch das nicht und bleiben anonym.


Ton: Fritz Trondl und Fridolin Stolz
Redaktion: Elisabeth Stratka

Sendereihe

Gestaltung

  • Gerald Navara