Büste von Gotthold Ephraim Lessing

DPA/MATTHIAS HIEKEL

Gedanken für den Tag

Susanne Heine über Gotthold Ephraim Lessing

"Über den Graben springen". Lessing könne auch heute vielen aus dem Herzen sprechen, meint die Religionspsychologin und evangelische Theologin Susanne Heine

Minna von Barnhelm und Emilia Galotti, die zwei Theaterstücke von Lessing werden immer noch aufgeführt. Das eine als Lustspiel getarnt, das andere als Tragödie aus dem 16. Jahrhundert, um der staatlichen Zensur zu entgehen.

Denn beide richten sich gegen die absolutistische Herrschaft, die Lessing in Preußen zu spüren bekommt; die "Minna" auch gegen den Krieg mit seinen katastrophalen Folgen. Lessing erlebt den Siebenjährigen Krieg zwischen Preußen und Österreich. Minnas Verlobter ist ein entlassener preußischer Major. Ohne den Namen zu nennen, kritisiert er den Machtpolitiker König Friedrich II.: "Die Dienste der Großen sind gefährlich, und lohnen der Mühe, des Zwanges, der Erniedrigung nicht, die sie kosten." Der Major will Minna heiraten, aber kann das ein vom Krieg geschädigter Mann? Happy End offen.

Lessings Schicksal ist tragisch. Erst mit fast 50 Jahren wagt er zu heiraten, sein Kind und die Mutter sterben kurz nach der Geburt. Die Trauerspiele sind kein Abbild seiner Biografie, aber nicht ohne Momente eigenen Erlebens. In der "Galotti" verliebt sich ein absolutistischer Fürst in die bürgerliche Emilia. Der Despot lässt ihren Bräutigam ermorden, holt sie mit ihren Eltern auf sein Schloss und umwirbt sie. Da verliebt sich auch Emilia und gesteht ihrem Vater: "Ich habe Blut, jugendliches, warmes Blut." Die "strengsten Übungen der Religion" können ihren seelischen Tumult nicht besänftigen. Sie will Hand an sich legen. Damit sie nicht in eine noch größere Sünde fällt, erdolcht der Vater sein Kind.

Ich frage mich: Warum ersticht der Vater nicht den despotischen Mörder? Weil das Drama auch die rigide Moral des Vaters verurteilt, die er seiner Tochter eingeimpft hat und die sinnliche Liebe verbietet. Despotismus in Politik und Familie - zwei Fliegen mit einem Schlag; beides hat Lessing erlebt. Hätte der Vater seine religiös-moralischen Prinzipien auch kritisch betrachten können? Wäre dann alles gut ausgegangen? Bei Lessing entscheidet das Publikum.

Service

Friedrich Vollhardt, "Gotthold Ephraim Lessing. Epoche und Werk", Verlag Wallstein
Rüdiger Scholz, "Die heimliche Autobiographie des Gotthold Ephraim Lessing", Verlag Königshausen u. Neumann
Monika Fick, "Lessing-Handbuch", Verlag J. B. Metzler

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Christoph Willibald Gluck/1714 - 1787
Bearbeiter/Bearbeiterin: Fritz Kreisler /Arrangement/1875 - 1962
Album: DIE VIRTUOSE VIOLINE
Titel: Melodie - Ballettmusik aus der Oper "Orpheus und Eurydike" / Bearbeitung für Violine und Klavier
Solist/Solistin: Mateja Marinkovic /Violine
Solist/Solistin: Tim Peake /Klavier
Länge: 03:04 min
Label: Cirrus CRS CD 108

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