Die wilden 80er Jahre (3)

20. Februar 2021, 13:00

Mit exquisiten Streichquartettparties und grandiosen Opernuraufführung sowie Musik von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Johann Baptist Vanhal und Carl Ditters von Dittersdorf und anderen.

Der Tenor Michael O'Kelly und die Sopranistin Nancy Storace sind seit 1783 Mitglied des Sängerensembles der Wiener Hofoper. Das aufgeheizte Wiener Opernklima der 1780er Jahre wurde noch um ein paar Grade heißer, als 1784 zwei berühmte zeitgenössische Künstler in Wien ankommen. Aus dem Süden kommt der Dichter und Satiriker Giovanni Battista oder Giambattista Casti - später noch mehrfacher Librettist von Antonio Salieri - nach Wien. Aus dem Norden - am Weg von St. Petersburg nach Neapel - Giovanni Paisiello, damals schon europaweit bekannter Starkomponist. Wien kocht. Kaiser Joseph II nutzt die Gunst der Stunde zu einem einzigartigen Kompositionsauftrag, die Stars der Wiener Opernszene machen sich ans Werk, aber dann stockt die Probenarbeit.

Was bedeutet das im wilden Wien der 80er Jahre? It's party-time. Das Geschwisterpaar Nancy und Stephen Storace lädt ein. Und diese Party hat es in sich. Unser Gewährsmann dieser Jahre, der Tenor Michael O'Kelly, erinnert sich. "Ich hatte das Glück, dabei zu sein, als Paisiello in Wien Mozart vorgestellt wurde. Es war berührend zu sehen, welche Genugtuung und Freude die beiden zu empfinden schienen, als man sie einander vorstellte und welche Wertschätzung sie offensichtlich füreinander empfanden. Das Treffen fand bei Mozart zu Hause statt, ich dinierte mit ihnen und genoss auch später noch öfter die Gesellschaft beider."

Michael Kelly fährt fort: "Als dem Kaiser zu Ohren kam, dass Casti und Paisiello in Wien seien, wünschte er sie so bald wie möglich zu sehen. Kompositionen von Paisiello hat Kaiser Joseph II sehr geschätzt. Als das Treffen stattfand, sagte der Kaiser in seiner üblichen, freundlichen Umgänglichkeit: "Ich denke, ich darf sagen, ich habe hier zwei der größten, lebenden Genies bei mir und es wäre mir eine große Ehre, in meinem Theater eine neue Oper von Ihnen Beiden uraufzuführen." Natürlich akzeptierten die Beiden diesen schmeichelnden Kompositionsauftrag und die größten Erwartungen standen im Raum, als diese beiden Talente gemeinsam eine Oper schreiben sollten."

Die Proben konnten noch nicht beginnen und alle hatten frei. Da luden die Geschwister Storace ein zu einem Quartett-Abend für Freunde. Es waren keine Virtuosen, die da spielten, aber es gab eine unglaubliche Chemie zwischen den vier Musikern des Streichquartetts und niemand wird sich darüber wundern, wenn ich die Namen der Musiker nenne: Joseph Haydn und Baron Dittersdorf, Violinen; Mozart, Bratsche; Johann Vanhal, Violoncello."

Wir stellen uns diese Szene nochmals vor: Die Creme de la Creme der Wiener Hofoper feiert gemeinsam eine Party, die Komponisten Haydn, Mozart, Dittersdorf und Vanhal sind unter den Gästen und spielen zur Freude der Anwesenden ein paar Stücke Streichquartett, bevor man sich zum "Dinner" setzt. Sie spielen aktuelle Quartette aus eigener Feder, nehmen wir mal an. Vielleicht hat Haydn etwas aus jenen Quartetten op. 33 auf die Pulte gelegt, die in den frühen 80ern veröffentlicht worden waren und von denen er selbst meinte, sie seien "auf eine gantz neue besondere art" komponiert. "Ich war," fährt Michael O'Kelly in seinen Memorien fort, "wie viele aus der geplanten Produktion, auch dabei und eine illustrere Wiener Zusammenkunft kann man sich kaum vorstellen. An diesem sehr speziellen Abend saßen wir, nachdem "the musical feast" vorüber war, zu einem superben Dinner zusammen, der Abend wurde äußerst lebhaft, "joyous and lively in the extreme".
So verlockend dieses Gedankenspiel auch ist und so gern wir die Geschichte auch glauben: Wir müssen schon erwähnen, dass es abgesehen von diesem Bericht des Tenors Michael Kelly keine Quelle gibt, die bezeugt, dass dieses Quartett wirklich gemeinsam musiziert hat. Obwohl über Jahrzehnte durchaus immer wieder Vermutungen in diese Richtung geäußert werden. Jetzt ist der damals ebenfalls erfolgreiche und angesehene Komponist Johann Baptist Vanhal an der Reihe, Noten auf die Pulte zu legen. Und er entscheidet sich für einen langsamen Satz, für das delikate und mit subtilen Überraschungen ebenfalls nicht geizende Adagio aus seinem Streichquartett in Es-Dur. Das lässt Mozart nicht auf sich sitzen und verlegt den Bruch mit der Konvention gleich in die langsame Einleitung seines C-Dur Quartetts, des später so genannten "Dissonanzenquartetts".

Service

Reminiscences of Michael Kelly

Sendereihe

• Le week-end

Gestaltung

• Elke Tschaikner
• Christian Scheib