Zwischenruf

Christine Rod über Frauen

"110 Jahre Internationaler Frauentag" von Sr. Christine Rod, Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz

Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Seit 1911, also seit 110 Jahren, wird dieser Tag bereits auch in Österreich-Ungarn begangen. Im März 1919 haben sich in Wien 20.000 Frauen getroffen und sind zum Rathaus marschiert. Es ist mir unvorstellbar, wie man damals - ohne E-Mail und ohne Smartphone - eine solche Demo organisieren konnte, aber der Leidensdruck und der Erfindungsreichtum mussten wohl grenzenlos sein.

Im März 1919 wurde dann in Österreich das Wahlrecht für Frauen eingeführt, und acht Frauen wurden in die neugegründete Nationalversammlung, also ins Parlament, gewählt. Sieben Frauen kamen aus der sozialdemokratischen Partei. Die achte Frau kam als einzige aus der christlich-sozialen Partei. Ihr Name war Hildegard Burjan, die auch noch im selben Jahr die Ordensgemeinschaft der Caritas Socialis gegründet hat.

Das war vor gut 100 Jahren. Wie ist es heute mit den Frauen im öffentlichen Raum, also in der Politik, in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, und natürlich in der Kirche?

2019 haben wir in Österreich erstmals eine Regierungschefin bekommen. Spät, aber doch, wenn ich mit so manchen, angeblich nicht so fortschrittlichen Ländern vergleiche - Indien oder Philippinen oder afrikanische Länder. Unsere erste Kanzlerin ist nicht gewählt worden; sie war in einer äußerst brisanten und unübersichtlichen Situation bereit, Verantwortung zu übernehmen. Sie ist sozusagen von heute auf morgen eingesprungen, und sie hat ihr Amt kompetent und unaufgeregt ausgeübt.

Und wie ist es in der katholischen Kirche? Ich selber bin als Frau in dieser Kirche in einer privilegierten Position. Als Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz kann ich gestalten - persönlich und auch auf struktureller Ebene, ich werde gefragt und gehört.

Und die anderen? Ja, die Gestaltungsmöglichkeiten für Frauen haben sich auch in der Kirche deutlich ausgeweitet. Frauen können sich - wenn sie es können - entsprechend ihrer Bildung, ihres Organisationstalents und ihrer Eloquenz tatsächlich in verantwortlichen Funktionen einbringen und haben Gestaltungsspielräume - wenn ihnen diese ermöglicht werden.

Gleichzeitig stelle ich fest, dass viele Frauen resigniert haben und - meistens leise und zunächst unbemerkt - aus der katholischen Kirche ausgewandert sind. Viele sind des Ringens um ihren Platz in der Kirche müde und überdrüssig geworden.

Andere sind noch da, aber ihr Potential, ihr guter Wille und ihre Spiritualität liegen gleichsam brach. Was bewirkt das? Fehlt etwas, und bemerkt man überhaupt einen Unterschied? Lassen wir es einfach dabei? So nach dem Motto "Ist halt so, und sie müssten ja nicht weggehen und wegbleiben?"

Morgen ist Frauentag. Frauen haben gekämpft und haben vieles erreicht. Das ist Grund zur Dankbarkeit, auch für verstehende und unterstützende Männer. Vieles ist gleichzeitig noch unfertig, noch offen, noch zu wünschen und nach wie vor leidenschaftlich zu ersehnen.

Bleiben wir dran, unterstützen wir einander schwesterlich und geschwisterlich, die Gegenwart und die Zukunft gestaltend. Dann kann Neues entstehen.

Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Miroslav Vitous
Album: STAR
Titel: Roses for you/instr.
Solist/Solistin: Jan Garbarek /Saxophon m.Begl.
Ausführender/Ausführende: Miroslav Vitous /Bass
Ausführender/Ausführende: Peter Erskine /Drums
Länge: 05:39 min
Label: ECM 8496492

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