Musik wie ein Erdbeben: Peter Brötzmann

7. März 2021, 20:55

"Eine brutale Gesellschaft, die Biafra und Vietnam zulässt, provoziert natürlich eine brutale Musik", so äußerte sich Peter Brötzmann 1968 im Interview mit Journalist Michael Thiem. In diesem Jahr veröffentlichte der deutsche Saxofonist sein bekanntestes Werk: "Machine Gun" hieß die im Eigenverlag erschienene LP, die das Schlagwort von der "Kaputtspielphase" im deutschen Free Jazz mit bis dato unbekannter Wucht und Intensität illustrierte. "Machine Gun" - vor allem das Titelstück der LP - war Musik wie ein Erdbeben, orgiastisch, hermetisch, kathartisch.

Aufgenommen im Mai 1968, in dem sich in Paris Studentenproteste entzündeten, wurden politischen Implikationen von "Machine Gun" wurden später oft relativiert: Der Titel, so Brötzmann, bezog sich nicht auf Außermusikalisches, sondern auf die hochenergetischen Staccato-Soundwälle, die der damals 27-Jährige am Tenorsaxofonist praktizierte. Rückblickend ist neben der nach wie vor brennenden, unter die Haut gehenden Musik interessant, dass "Machine Gun" eines der ersten Tonträgerdokumente darstellt, mit dem sich der europäische Jazz ästhetisch von den US-amerikanischen Vorbildern löste.

Das mit den Saxofonisten Willem Breuker und Evan Parker, Pianist Fred van Hove, den Bassisten Peter Kowald und Buschi Niebergall sowie den Schlagzeugern Han Bennink und Sven-Åke Johansson besetzte Peter Brötzmann Octet bestand zudem aus Musikern aus fünf Ländern und bedeutete so auch ein paneuropäisches Manifest des Avantgarde-Jazz der 1960er Jahre. Über ein halbes Jahrhundert später gelten die drei Titel der LP "Machine Gun" längst als Klassiker der Jazzgeschichte. Aus Anlass des 80. Geburtstags Peter Brötzmanns am 6. März 2021 sei eine Annäherung an das für Hörer/innen immer noch herausfordernde Werk versucht.

Gestaltung: Andreas Felber

Sendereihe

• Ö1 Kunstsonntag: Milestones

Gestaltung

• Andreas Felber

Übersicht

• Jazz