Virginia Woolf

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Gedanken für den Tag

Ingrid Pfeiffer über Virginia Woolf

"Nur Autobiographie ist Literatur". Die Autorin und Germanistin Ingrid Pfeiffer anlässlich des 80. Todestages von Virginia Woolf

Bloomsbury ist zuallererst ein Stadtteil von London. Dorthin zogen die Stephen-Geschwister nach dem Tod des Vaters. Der größere Familienzusammenhang war weggefallen, die Geschwister misstrauten den gesellschaftlichen Normen, die Söhne hatten als Cambridge-Absolventen zudem das nötige intellektuelle Rüstzeug und einige gleichgesinnte Freunde für den gesellschaftlichen, politischen, künstlerischen und lebenspraktischen Gegenentwurf mitgebracht. Und: Frauen willkommen! Die Bloomsbury-Gruppe war entstanden. Sie war der Abschied von der Welt von gestern und hielt sich nicht nur mit theoretischen Überlegungen auf.

Liest man Virginia Woolfs Werk von diesem Aufbruch her, zeigt sich eine neue historische und individuelle Tiefenstruktur. Virginia Woolf war eine politische Schriftstellerin. Dominanz, wohin man schaut, und Widerstand, wohin man schaut. Ihre Jugend war gekennzeichnet von dem Kampf um das Frauenwahlrecht, das 1919 durchgesetzt wurde. In ihren beiden feministischen Essays, "Ein eigenes Zimmer" und "Drei Guineen" (geschrieben 10 bzw. 20 Jahre danach), zeigt sich, dass es mit dem Gesetz allein nicht getan war. Würde das Richtige gelehrt werden, heißt es in "Drei Guineen", könnte der Krieg verhindert werden. Ein Lehren und Lernen gegen Herrschaft müsste es sein. Wir sind bis heute längst nicht so weit, wie sich zeigt. Das Gleiche gilt für den Pazifismus, den die Bloomsbury-Gruppe als Standard gegen die Barbarei hochhielt.

Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen, also auch in der Kunst. Dieser Anspruch in Bezug auf die Literatur ging auch der Gründung des Verlages Hogarth Press durch Virginia und Leonard Woolf voraus. Was 1917 mit einer kleinen Handpresse und learning by doing begann, wurde bald ein sich selbst tragendes Unternehmen. Zu den dort verlegten Autoren gehörten nicht wenige der wichtigsten des 20. Jahrhunderts: T.S. Eliot, Tschechow, Rilke, Freud.

Service

Klaus Reichert (Hg.), "Virginia Woolf. Gesammelt Werke", 19 Bände, S. Fischer Verlag
Michael Cunningham, "Die Stunden", btb Verlag
Leonard Woolf, "Mein Leben mit Virginia. Erinnerungen", Fischer Taschenbuch
Quentin Bell, "Virginia Wool. Eine Biographie", Suhrkamp Taschenbuch
Hermione Lee, "Virginia Woolf - Ein Leben", Fischer Taschenbuch
Leonard Woolf (Hg.), "A Writer's Diary by Virginia Woolf", The Hogarth Press


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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Guy Klucevsek/geb.1947
Vorlage: Michael Cunningham
Album: THE WELL TAMPERED ACCORDION
Titel: Clarissa (Mrs.Dalloway)/instr.
Gesamttitel: Four Portraits - Suite für Akkordeon nach dem Roman "The Hours" / "Die Stunden" von Michael Cunningham
Solist/Solistin: Guy Klucevsek /Akkordeon
Länge: 03:14 min
Label: Winter & Winter/edel 9101062

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