Diagonal zum Thema: Tourismus

27. März 2021, 17:05

Nach der Bewältigung der Corona-Pandemie wird der Tourismus, "der Reiseverkehr in organisierter Form" (Duden), schnell wieder auferstehen: Menschen wollen reisen, ungeachtet der Massen, die das auch tun. Oft wird ein Ort genau deswegen zum Magnet. Das zeigte sich gleich nach dem ersten Corona-Lockdown: Kaum blieben in Hallstatt die asiatischen Gäste aus, kamen, geballt, die österreichischen. Studien über den "neuen" Tourismus ergeben Ähnliches:
junge Erwachsene, die sich durch Couchsurfen und Airbnb das Reisen leisten können, peilen Städte und Plätze an, wo sich viele - vor allem junge - Menschen aufhalten; gesucht wird ein Gefühl von Gemeinschaft. Airbnb vermarktet ein Phänomen, das es im Privaten immer schon gegeben hat: auf Reisen dort unterzukommen, wo andere zu Hause sind. Das hat an touristischen Hotspots wie Berlin zu einer Verknappung des Wohnungsangebots und steigenden Mieten geführt, weshalb Stadtregierungen mittlerweile eigene Airbnb-Gesetze oder auch Verbote erlassen.

Das Reisen selbst, das Unterwegssein, um andere Kulturen zu entdecken und dabei auch bei sich selbst anzukommen, ist so alt wie die Menschheit und mit ihr die Verständigung und der Austausch zwischen den Völkern. Doch aus dem Reisen zu Wasser und zu Lande ist dank Schleuderpreisen im Flugverkehr eine enorme Bedrohung für das Weltklima geworden. Auch der punktuelle Rückgang an CO2-Emissionen seit Beginn der Pandemie ändert daran nichts.

Overtourism - bis kurz vor Ausbruch der Pandemie diskutierte man hauptsächlich darüber, von Bergen bis Barcelona, Salzburg bis Venedig. Wie schützt man die Einheimischen davor, dass ihre Heimat zur Kulisse wird? Wie schützt man sie vor steigenden Mieten und Preisen, einer einseitigen Infrastruktur, vor Müll, Lärm, Verkehr und Trubel? Wer profitiert wieviel von der Tourismusindustrie, die in Österreich 2019 gut sieben Prozent zum Bruttonationalprodukt beitrug und weit mehr als 220.000 Menschen Arbeit gab?

Und wie schützt man Touristen vor sich selbst? Tourismus sei kein Recht, sondern ein Privileg, finden Gruppen und NGOs, die "ihre" Stadt oder Region zurückerobern wollen und die sich kritisch auseinandersetzen mit einem Wunsch, den Susan Sontag augenzwinkernd so formulierte: "Ich war noch nicht überall, aber es steht auf meiner Liste."

Mit Beiträgen von Nicole Dietrich, Andrea Hauer, Anna Katharina Laggner, Lina Paulitsch, Alina Sklenicka, Rainer Springenschmid und Peter Waldenberger.

Eine Sendung von Andrea Hauer und Anna Katharina Laggner.

Service

Marco d'Eramo, "Die Welt im Selfie - Eine Besichtigung des touristischen Zeitalters"
Suhrkamp 2018

Valentin Groebner, "Retroland - Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen", S. Fischer 2018

Valentin Groebner "Ferienmüde - Als das Reisen nicht mehr geholfen hat"
Konstanz University Press 2020

Kerstin Heuwinkel "Tourismussoziologie", UTB 2018

Süddeutsche Zeitung Online: Serie "Reisepioniere" 2015-2020
mit Geschichten von Irene Helmes, Katja Schnitzler und Eva Dignös

Josef Krippendorf, "Die Landschaftsfresser - Tourismus und Erholungslandschaft - Verderben oder Segen?", Hallwag Verlag, Bern und Stuttgart, 1975

Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt, "Influencer - Die Ideologie der Werbekörper"
Suhrkamp, 2021

David Foster Wallace, "Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich", Goldmann Verlag, 2006

Hotelberatung PKF

Zedashe

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