Alvin Lucier

AP/MARKUS SCHREIBER

Ö1 Kunstsonntag: Radiokunst - Kunstradio

Zu Ehren des Medienkünstlers Alvin Lucier

"In 2 Rooms - A Tribute to Alvin Lucier Radiophone Komposition" von Recorder Recorder (Gerald Fiebig & Elisabeth Haselberger)
Das österreichisch-deutsche Komponisten-/Performer-Duo Recorder Recorder widmet sein erstes gemeinsames Radiostück dem Komponisten und Medienkunst-Pionier Alvin Lucier, der am 14. Mai 2021 seinen 90. Geburtstag feiert, und dem Medium Radio im mehr als einhundertsten Jahr seines Bestehens

"Der forschende Ansatz, der viele Stücke Luciers prägt, wird auf unsere aktuelle technisch-soziale Situation während der Covid-19-Pandemie angewandt.
Alvin Lucier stellt in vielen Stücken die Veränderung von Klang durch die physische Struktur des Aufführungsraums in den Mittelpunkt: "Die Auffassung von Klängen als messbare Wellenlängen und nicht als hohe oder tiefe Töne hat meine ganze Vorstellung von Musik - weg von den Metaphern hin zu den Tatsachen - verändert und mir wirklich einen Zugang zur Architektur eröffnet."

In Zeiten der Pandemie ist der Zugang zu vielen realen Klang-Räumen (wie etwa Konzertsälen) stark beschränkt. Stattdessen sprechen wir jetzt ständig in metaphorische Räume hinein, wenn uns jemand "eintreten lässt" in eine Videokonferenz oder die Konferenz-Software einen "Breakout Room" öffnet, der "neben" dem Hauptkonferenzraum "liegt".

Der Titelsatz von Alvin Luciers bekanntestem Stück beschreibt heute auch das Zuhausebleiben zur Kontaktvermeidung: "I am sitting in a room different from the one you are in now." Vielleicht empfehlen sich Luciers physikalische Versuchsanordnungen also nicht nur "für jede Person, die Klänge über weite Entfernungen . durch irgendein . akustisch leitfähiges Medium senden möchte", sondern auch zur künstlerischen Erkundung des "social distancing"?

In diesem Stück probiert das Künstlerduo das aus: Statt der ursprünglich von Lucier gemeinten physischen Medien Luft, Wasser, Stein etc. wenden sie sich den technologischen Aufnahme- und Transmissionsmedien zu, die unsere aktuelle Situation mehr prägen als je zuvor. Als Rahmen und Kontrastfolie für die Untersuchung der neuartigen Situation, in der wir uns befinden, bietet sich das Radio als erstes One-to-many-Telepräsenz-Medium der Geschichte an. Denn die Geschichte der radiophonen Kunst ist ja auch eine Geschichte ihres Verhältnisses zum Raum - von den frühen Versuchen des literarisch geprägten monophonen Hörspiels der 1950er-Jahre zur Verräumlichung von Klängen (unterschiedliche Entfernungen zum Mikrofon) bis zur Erkenntnis des "Kunstradio"-Manifests, dass Radio noch über ganz andere (nicht nur metaphorische) Räume verfügt: "Radio happens in the place it is heard and not in the production studio."

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