András Schiff

LUKAS BECK

Des Cis

Brahms ohne Patina

mit Rainer Elstner. Klavierkonzerte in neuem Detailreichtum: András Schiff befreit Brahms vom "Ballast der Vergangenheit".

Die Klavierkonzerte von Johannes Brahms erstrahlen in neuem Glanz: Andras Schiff putzt als Pianist (ohne Dirigent an der Seite des Orchestra of the Age of Enlightenment) die Patina von diesen zwei vielgespielten Werken. Lieb gewonnene, stillschweigend übernommene Aufführungstraditionen haben den Blick getrübt, nun wird der Klang präzisiert: "Weil Brahms kein korpulenter Komponist ist", betont András Schiff im Interview mit "Die Zeit".

Schiff möchte Brahms "vom Ballast der Vergangenheit" befreien. Er tut das auf einem historischen Blüthner-Flügel von 1859 (dem Uraufführungsjahr des ersten Konzerts), und in einer etwas tieferen Stimmung als etwa bei den Wiener Philharmonikern üblich (435 statt 445 Hertz). Der feinere Klang des Klaviers erlaubt eine kleinere Orchesterbesetzung - und vice versa. Das heißt aber nicht, dass diese Konzerte nun karg klingen würden - Schiff belebt kompositorische Details mit Hilfe des obertonreichen Flügels und einer klaren, höchst agilen Formung der Orchesterstimmen. Ein erfrischend-aufrüttelndes Hörererlebnis.

Diese Einspielung ist ein weiterer Schritt in der außergewöhnlichen Entwicklung im interpretatorischen Schaffen Schiffs, der sich im Laufe der Jahre immer mehr den Weg zur musikalischen Essenz der Kompositionen freizuschaufeln scheint. Ein Erlebnis in Salzburg hatte ihm die Augen und Ohren geöffnet: In den 1980er Jahre durfte er in Mozarts Geburtshaus ein Mozart-Originalinstrument in hervorragendem Zustand spielen - mittlerweile falle es ihm immer schwerer, so Schiff zur "New York Times", auf modernen Flügeln zu spielen.

Über Schubert kam er zu Schumanns Klavierkonzert im Originalklang-Gewand - bei einem Konzert in der großen Royal Festival Hall in London habe er beste Erfahrungen gemacht, die Balance zwischen Klavier und Orchester stimmte plötzlich auch bei schwieriger Akustik ohne große Anstrengung. Und von Schumann war der Schritt zu Brahms nur mehr ein kleiner - zumal sich hier oft Balance-Probleme zwischen Orchester und Klavierpart ergeben. Der entschlackte Klang erlaubt es Schiff, sich auf die Details der Komposition zu konzentrieren und nicht mit physischer Klavier-Gewalt gegen eine Orchesterübermacht ankämpfen zu müssen. Kurz: berückende Details statt orchestraler Klangbrei.

Marie-Theres Himmler berichtet in diesem "Des Cis" über eine Pop-Up-Konzertreihe im Tor der neugotischen Sankt-Elisabeth-Kirche in Wien am Oberen Ende der Argentinierstraße, initiiert von Nora Romanoff-Schwarzberg.

Service

Aktuelle Aufnahme:
Johannes Brahms: Piano Concertos, András Schiff, Orchestra of the Age of Enlightenment, ECM

Sendereihe

Gestaltung

  • Rainer Elstner

Playlist

Komponist/Komponistin: Johannes Brahms
Album: Johannes Brahms. Piano Concertos
Titel: Piano Concerto No. 1 in D Minor, Op. 15 - 1. Maestoso
Solist/Solistin: Andras Schiff
Ausführende: Orchestra Of The Age Of Enlightenment
Länge: 07:10 min
Label: ECM

Komponist/Komponistin: Johannes Brahms
Album: Johannes Brahms. Piano Concertos
Titel: Piano Concerto No. 1 in D Minor, Op. 15 - 3. Rondo. Allegro non troppo
Solist/Solistin: Andras Schiff
Ausführende: Orchestra Of The Age Of Enlightenment
Länge: 06:29 min
Label: ECM

Komponist/Komponistin: Johannes Brahms
Album: Johannes Brahms. Piano Concertos
Titel: Piano Concerto No. 2 in B Flat Major, Op. 83 - 3. Andante
Solist/Solistin: Andras Schiff
Ausführende: Orchestra Of The Age Of Enlightenment
Länge: 05:10 min
Label: ECM

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