Arnold Schönberg

Arnold Schönberg - ORF/CLASSICA ITALIA

Gedanken für den Tag

Melanie Unseld über Arnold Schönberg

"Sucher in der Moderne". Anlässlich dessen 70. Todestages erinnert die Musikwissenschafterin Melanie Unseld an einen der einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts

Selbstporträts sind für Künstler der Moderne ein wichtiges Medium der Selbstreflexion: Ich denke an die fast obsessiven Selbstporträts von Egon Schiele, Max Beckmann, Lovis Corinth, Otto Dix, Wassily Kandinsky, Richard Gerstl (dass es um die Künstlerinnen und ihre Selbstporträts anders steht, sei nur am Rande erwähnt).

In den Selbstporträts dokumentiert sich nicht nur die Veränderung in der Zeit, das Altern, sondern insbesondere auch die Sinnsuche in der jeweiligen Zeit: Wer bin ich als Künstler? Wer bleibt, wenn das Siècle sich dem Ende nähert, wenn der Krieg die Welt aus den Fugen hebt, wenn der Sinn des Künstlerseins abhandenkommt? Die Fragen sind existenziell, der Tod allgegenwärtig. Dix zerstört malend sein Gesicht mit Kanonenkugelschüssen (1915), Corinth stellt sich schon 1896 neben einem Skelett in Positur, nach dem Ersten Weltkrieg dann die Radierung "Tod und Künstler".

Schönberg als Maler steht an ähnlicher Stelle. Das eigene Gesicht malend zu erfassen, zu begreifen, wer ihn im Spiegel anschaut, beschäftigt ihn. Das eigene Gesicht, immer wieder, in rund 70 Selbstporträts, oft kleinformatig, fast immer en face, freigestellt ohne Hintergrund, die hohe Stirn ungeschönt und immer im Zentrum: der durchdringende Blick. In der beständigen Wiederholung hartnäckig, eindringlich. Neben den eigentlichen Selbstporträts entstehen Bilder, die Titel tragen wie "Vision", "Augen" oder "Blick". Viele dieser Bilder stammen aus dem Jahr 1910, einer Zeit größter Verunsicherung für den Künstler und Menschen Schönberg. Skandale um seine Musik, Ehe-Krise, der Suizid Richard Gerstls, des früheren Maler-Freundes, der noch 1908 das Selbstbildnis, lachend, gemalt hatte. Vom lachenden Künstler Schönberg ist in den Selbstporträts nichts zu erkennen (obwohl es den satirischen, komischen Schönberg ja durchaus gibt!).

Welches Selbstbild gibt Schönberg also in seinen Selbstporträts zu sehen? Er, der sich sehr bewusst komponierend und schreibend in die Musik- und Kulturgeschichte seiner Zeit kontinuierlich und immer wieder neu einschreibt, übermittelt mit seinen Selbstporträts ein statisches Abbild seines Künstlerseins, kaum Veränderung. Wir sollen ihn immer wieder als einen Schauenden wahrnehmen, als jemanden, dessen Blick nicht ausweicht, auch: als Visionär. - Daher sind die Selbstporträts bei aller krisenhaften Selbstbefragung auch anders zu lesen: Als Selbstinszenierung des modernen Künstlers, als Image: "Ich stehe hier. Ich kann nicht anders."

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Arnold Schönberg/1874 - 1951
Album: ARNOLD SCHÖNBERG / FRANZ SCHUBERT: KLAVIERSTÜCKE - Thomas Larcher
* Nr.4 Rasch, aber leicht (00:30)
Titel: Sechs kleine Klavierstücke op.19
Stücke für Klavier
Solist/Solistin: Thomas Larcher /Klavier
Länge: 00:30 min
Label: ECM New Series 1667 / 4651362

Komponist/Komponistin: Arnold Schönberg/1874 - 1951
Album: ARNOLD SCHÖNBERG / FRANZ SCHUBERT: KLAVIERSTÜCKE - Thomas Larcher
* Nr.1 Leicht, zart (00:01:27)
Titel: Sechs kleine Klavierstücke op.19
Stücke für Klavier
Solist/Solistin: Thomas Larcher /Klavier
Länge: 01:30 min
Label: ECM New Series 1667 / 4651362

weiteren Inhalt einblenden