Zwischenruf

Zeynep Elibol über Erinnerungen an Hagar

Zeynep Elibol ist Direktorin der Islamischen Fachschule für soziale Bildung Dr. Abdullah Karl Hammerschmidt

Bald wird weltweit das muslimische Opferfest Eid ul-Adha gefeiert. Vor mehr als 5000 Jahren entstand die Pilgerstätte in Mekka auf der arabischen Halbinsel. Mekka wurde - so besagt es die Überlieferung - als Ort durch Hagar, der Frau des Propheten Abraham, gegründet. Von ihm erzählt auch die Bibel - in etwas anderer Form als der Koran. Dieser beschreibt die Vorgänge so: Einst machte sich Hagar nach einer langen Reise mit ihrem Baby und ihrem Mann, dem Propheten Abraham, genau an diesem einsamen Ort mit viel Gottesvertrauen sesshaft. Ihr Mann verließ sie, um wieder zurückzukommen. So wartete sie also.

Dieser Ort war an einer Schnittstelle von Karawanen-Routen mit zwei kleinen Hügeln. Hagar, eine sehr selbstbewusste Frau, mutig und zielstrebig, hatte keine Angst vor den Herausforderungen der Wüste. Die Rückkehr ihres Mannes, des Propheten Abraham, allerdings dauerte. Ihr gingen die Lebensmittel und das Wasser aus. Das Überleben ohne Wasser in der Wüste war unmöglich. Hagar jedoch war hoffnungsvoll. Auf Gott zu vertrauen bedeutete für sie, nicht untätig zu sein. Sie stieg auf einen der Hügel Safa und hielt Ausschau nach vorbeiziehenden Karawanen, um sie um Hilfe zu bitten. Dann lief sie zum nächsten Hügel Marwa und schaute sich dort um.

Sie konnte nichts sehen, aber blieb zuversichtlich, dass eine Lösung kommen würde. Sie kehrte zum Zelt zu ihrem Kind zurück. Sie meditierte und betete. Nach einer Weile beobachtete sie, dass der Platz, wo ihr Baby lag, nass wurde und dass sich diese nasse Fläche ausbreitete. Wasser sprudelte aus dem Sand. Es war so reichlich, dass sie es eindämmen musste. Diese Quelle heißt Zamzam und ist ein Heilwasser, das seit tausenden von Jahren besteht und Millionen von Pilgerinnen und Pilgern in der Zeit, die sie in Mekka verbringen, versorgt. Hier entstand später die Kaba, das älteste Gotteshaus des Islam, das im Zentrum der Hadsch, der Pilgerreise, steht.

Die Hadsch endet jährlich mit dem Opferfest. Sie ist das größte Fest im Islam. Die Rituale während der Hadsch sind von bestimmten Rahmenbedingungen abhängig, die einem Zustand entsprechen. Dieser Zustand wird Ihram genannt. Im Ihram begibt man sich in einen Zustand der Enthaltsamkeit. Man darf weder physisch noch psychisch einem Lebewesen den geringsten Schaden zufügen oder es beleidigen.

Jedes Lebewesen, sei es auch nur das kleinste Tier, muss vor dem Menschen sicher sein. Die Kleidung ist bescheiden. Parfümierte Seife ist nicht erlaubt. Ein Zustand, der kollektiv und global einem Lockdown ähnelt, und auf das friedliche Miteinander fokussiert ist. Denn jede Art von Gewalt bricht das Ritual der Hadsch und macht sie ungültig. So gehört auch das Gehen zwischen den zwei Hügeln Safa und Marwa zu den wichtigsten Elementen der Hadsch. Ein Ritual, das Musliminnen und Muslimen in Lebenssituationen, die manchmal mit ihren Herausforderungen der unwirtlichen Wüste ähneln, Mut und Hoffnung gibt.

Hagar verkörpert in ihrer Person das Leben. Sie ist eine selbstbewusste Frau, die im kollektiven Gedächtnis weiterlebt und deren Botschaft Bestand hat: Vertrauen und Zuversicht setzen sich durch. Selbst wenn eine Lage aussichtslos erscheinen mag, können Lösungen zutage treten, die niemand vermutet hätte.

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Marwan Abado
Vorlage: Johann Sebastian Bach
Album: PATH OF LOVE / MASAAR HUBB - MARWAN ABADO, PAUL GULDA
Titel: Bach al Beiruti
Solist/Solistin: Marwan Abado /Oud
Länge: 03:17 min
Label: Gramola 99105

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