Alter, verstaubter Mercedes

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Medizin und Gesundheit

Zu alt fürs Steuer?

Der Disput über die Fahrtauglichkeit betagter Personen

Vor rund zwei Wochen raste im oberösterreichischen St. Florian ein Autofahrer ungebremst in einen Marktstand und verletzte 12 Menschen zum Teil schwer. Das Alter des unglücklichen Fahrzeuglenkers: 86. Wasser auf die Mühlen all jener, die für Seniorinnen und Senioren verpflichtende medizinische Untersuchungen zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit fordern.
Tatsächlich spricht einiges dafür, diese Bevölkerungsgruppe gesundheitlich etwas näher unter die Lupe zu nehmen, zumal durch die demografische Entwicklung in den kommenden Jahren deutlich mehr betagte Personen hinterm Steuer sitzen werden.

Gesundheitlich beeinträchtigte Senioren vs. junge Raser

In der "Verkehrssicherheitsstrategie 2021-2030" des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie heißt es: "Ältere Pkw Lenkende verursachen überproportional oft Pkw-Unfälle. Die meisten der tödlichen Unfälle (92 Prozent, 2015 - 2019), an denen über 84-jährige PKW-Lenkende beteiligt waren, wurden auch von ihnen verursacht".
Immerhin lassen Sehkraft, Hörvermögen und Reaktionsfähigkeit im Alter nach. Dennoch gelten Seniorinnen und Senioren tendenziell als besonnene Verkehrsteilnehmer, wie Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit betont. So hätten Lenker zwischen 27 und 80 ungefähr das gleiche Unfallrisiko. Die Altersgruppe unter 27 wäre hingegen durch das riskantere Fahrverhalten deutlich gefährdeter. Und nach wie vor gilt die überhöhte Geschwindigkeit als häufigste Ursache für tödliche Verkehrsunfälle.

Führerschein auf Lebenszeit?

Das Thema ist heikel und wird politisch heftig diskutiert: Pensionistenverbände sprechen vom Senioren-Bashing und kritisieren, dass bei einem Führerscheinentzug gerade in ländlichen Gebieten der Wegfall der Mobilität dazu führt, nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen zu können. Kaltenegger setzt hier eher auf Aufklärung und die Vernunft der Verkehrsteilnehmer. Er verweist auf §58 der Straßenverkehrsordnung, die ohnehin besagt, dass ein Fahrzeug nur lenken darf, . "wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag". Es gelte also stets der Grundsatz der Eigenverantwortung. Zwar müssen in den EU- Mitgliedsstaaten Führerscheine auf 10 bzw. 15 Jahre befristet sein, die Neuausstellung ist hierzulande jedoch reine Formsache und dient eher der Fälschungssicherheit. Während in vielen Ländern die Verlängerung der Lenkerberechtigung an regelmäßige körperliche und psychische Untersuchungen geknüpft ist, wird der Führerschein in Österreich und Deutschland damit im Prinzip auf Lebenszeit ausgestellt.
Im Gegensatz zu den Automobilclubs ARBÖ und ÖAMTC sowie dem Kuratorium für Verkehrssicherheit, spricht sich der Führerschein-Sachverständige und ehemalige Wiener Polizeichefarzt Reinhard Fous sehr wohl dafür aus, regelmäßige verpflichtende Gesundheitschecks für Führerscheinbesitzer einzuführen, wie sie bereits für die Klassen C und D existieren. Eine unpopuläre Maßnahme, die jedoch, so Fous, nicht nur für Senioren, sondern für alle Altersgruppen gelten sollte.

Ronny Tekal widmet sich in der aktuellen Ausgabe des Radiodoktors der Verkehrssicherheit und klärt mit seinen Gästen, welche medizinischen Umstände dazu führen können, die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren.

Moderation und Sendungsvorbereitung: Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Sollte Ihrer Meinung nach ab einem gewissen Alter der Führerschein entzogen werden?

Wäre es stigmatisierend und schikanös, verpflichtende Gesundheitstests einzuführen?

Halten Sie sich selbst auch als älteres Semester für uneingeschränkt fahrtauglich?

Service

Sendungsgäste:

HR MR Dr. Reinhard Fous
Arzt für Allgemeinmedizin
ehem. Wiener Polizeichefarzt
Pezzlgasse 17/10
A-1170 Wien
Tel: +43/1/407 47 47

Dr. Armin Kaltenegger
Jurist, Bereichsleiter Recht & Normen
Kuratorium für Verkehrssicherheit KfV
Schleiergasse 18
1100 Wien
Tel: +43 (0)5 77077 1200
E-Mail
Homepage

Mag.a Marion Seidenberger
Verkehrspsychologin
ÖAMTC
Baumgasse 129
A-1030 Wien
T +43 1 71199 21382
E-Mail
Homepage

Info-Links:

Österreichische Verkehrssicherheitsstrategie (BMVI 2021)
Autofahren im Alter (Autorevue 2021)
Zu alt zum Fahren? (Dt. Verkehrsministerium 2017)
ADAC - Medikamente im Straßenverkehr
Auto fährt in Personengruppe vor Stift (ooe.orf.at 2021)
Klares Nein zu Eignungstests für Senioren (ooe.orf.at 2021)
Berufsverband Österreichischer PsychologInnen - Verkehrspsychologie
Verkehrspsychologische Untersuchungen und Nachschulungen
Mobilität älterer Menschen (VCÖ 2015)
Autofahren bis ins hohe Alter (ÖGK 2020)
KFV: "Ältere Autofahrer haben kein höheres Unfallrisiko" (Tiroler Tageszeitung 2019)

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