Gertrude Stein

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Gedanken für den Tag

Brigitte Schwens-Harrant über Gertrude Stein

"Mutter und Muse der Moderne". Zum 75. Todestag der Autorin spricht Brigitte Schwens-Harrant, Literaturkritikerin, Buchautorin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche"

"Eines Tages klopfte jemand an die Tür und ein sehr netter sehr amerikanischer junger Mann fragte ob er mit Miss Stein sprechen könne. (.) Wissen Sie, sagte er etwas zögernd, der Direktor von Grafton Press hat den Eindruck dass vielleicht Ihre Englischkenntnisse. Aber ich bin eine Amerikanerin, sagte Gertrude Stein ungehalten. Ja ja ich verstehe das jetzt vollkommen, sagte er, aber vielleicht haben Sie noch nicht soviel Erfahrung im Schreiben. Ich nehme an, sagte sie lachend, Sie hatten den Eindruck dass ich mangelhaft gebildet sei. Er errötete, aber nein, sagte er, aber vielleicht haben Sie noch nicht soviel Erfahrung im Schreiben. Oh doch, sagte sie, oh doch. (.) Ich werde dem Direktor schreiben und Sie können ihm auch sagen dass alles was in dem Manuskript geschrieben ist geschrieben ist in der Absicht dass es so geschrieben ist und alles was er zu tun hat ist es zu drucken und ich werde die Verantwortung übernehmen."

Was Gertrude Steins "Autobiographie von Alice B. Toklas" so unterhaltsam macht, sind Episoden wie diese, in der die Schriftstellerin voll Ironie das Unverständnis gegenüber ihrer eigenartigen Schreibweise erzählt. Das 1933 erschienene Buch unterscheidet sich stilistisch von vielen anderen ihrer Werke - immerhin wurde es geschrieben, um gelesen zu werden.

Es wurde ein Erfolg, wohl auch, weil es Klatsch und Tratsch aus der Kunstszene enthielt. Berühmte Maler gingen in Steins Pariser Salon ein und aus - sie landeten im Buch. Wie auch ihre langjährige Lebensgefährtin Alice B. Toklas, Stein lässt sie als Ich-Erzählerin auftreten. In deren Worten kann Stein sich sogar selbst als Genie bezeichnen.

"Mit List unterminiert ,Die Autobiographie von Alice B. Toklas' den Nimbus der Unsterblichkeit, mit dem Biographen ihre Helden auszustatten pflegen", stellte Biografin Janet Malcolm fest. "Wer der Musik des Textes lauscht, vernimmt einen leisen Unterton der Melancholie. Und wer das Buch als ein Pfeifen im dunklen Wald auffasst, erahnt etwas von seiner Großartigkeit."

Service

Gertrude Stein: Autobiographie von Alice B. Toklas. Aus dem Amerikanischen von Roseli und Saskia Bontjes van Beek. Zürich 2006.
Janet Malcolm: Zwei Leben: Gertrude und Alice. Aus dem Amerikanischen von Chris Hirte. Frankfurt 2008.


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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Paul Bowles/1910 - 1999
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Gertrude Stein/1874 - 1946
Album: PAUL BOWLES: EIN AMERIKANER IN PARIS - LIEDER, KLAVIERSTÜCKE,KONZERT
Titel: April fool baby
Textanfang: It seems to be a note to she the sweet sweetie
Gesamttitel: 5 LIEDER
Solist/Solistin: Howard Haskin /Tenor
Solist/Solistin: Haridas Greif /Klavier
Länge: 01:49 min
Label: Koch Schwann 315742 H1

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