Johanna Schwanberg

APA/ROLAND SCHLAGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über die Künstlergedenktage 2021

"Passion für die Kunst". Die Direktorin des Dom Museum Wien spürt bedeutenden Künstler/innen unterschiedlicher Jahrhunderte nach

Fritz Wotruba - Abstrakt und archaisch

Als Kind bin ich im Schatten der Wiener Karlskirche aufgewachsen und habe mich, auch ohne kunstgeschichtliches Wissen, jeden Tag über den barocken Formenreichtum gefreut.

Umso erstaunter war ich, als ich später im 23. Wiener Bezirk in die Schule gegangen bin und bei Ausflügen in den benachbarten Maurer Wald, am Georgenberg plötzlich vor einem Gebäude gestanden bin, das wie eine riesige abstrakte Skulptur aus der Landschaft ragte. Ich habe herausgefunden, dass es ebenfalls eine Kirche war, auch wenn sie so gar nichts mit den historischen Sakralbauten zu tun hatte, die mir vertraut waren. Ich war von Anfang an von diesem Monument aus 152 Betonblöcken fasziniert. Vielleicht auch deshalb, weil ich selbst in einer Bildhauerfamilie groß geworden bin.

Das Raue, das Archaische und das scheinbar Ungeordnete haben mich gleichermaßen irritiert wie angezogen. Erst später habe ich im Zuge meiner kunstgeschichtlichen Studien und durch mein Interesse an der österreichischen Nachkriegsavantgarde erkannt, wie bedeutsam diese Kirche für die Entwicklung des modernen Kirchenbaus ist.

Mich haben vor allem die turbulente Entstehungsgeschichte dieser Architekturikone interessiert und der Bildhauer, auf den der Entwurf zurückging. Fritz Wotruba, der heute vor 46 Jahren gestorben ist, hat die Fertigstellung seiner "ArchiSkulptur" durch den Architekten Fritz Gerhard Mayr nicht mehr erlebt. Die "Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit" ist mehr als ein Jahr nach Wotrubas Tod, im Oktober 1976, also vor 45 Jahren, feierlich eröffnet worden ? ein Anlass, der das Belvedere zu einer derzeit laufenden kleinen Ausstellung über diesen Sakralbau bewogen hat.

Das Schaffen Fritz Wotrubas begleitet mich auch heute immer wieder in meiner Arbeit im Dom Museum Wien, schließlich war der Bildhauer für den Domprediger und Kunstförderer Otto Mauer eine wichtige Figur, wie Schriften, aber auch Zeichnungen in unseren Sammlungen belegen. Wie Otto Mauer hat auch Fritz Wotruba den Dialog zwischen Kunst und Kirche gesucht. Zwar war der Bildhauer kein "konfessioneller Katholik", dennoch hat er die "religiöse Welt und den christlichen Kulturraum als schöpferisches Reservoir" empfunden, wie er kurz vor seinem Tod geschrieben hat. "Als mir angeboten wurde, eine Kirche zu bauen, habe ich sofort zugegriffen, denn es fasziniert mich, eine Kirche für Katholiken zu bauen, heute und jetzt." Und Wotruba weiter: "Diese Kirche wurde schon im Modell von den konservativen Katholiken angegriffen. Zu Unrecht, denn auch der Geist der Kirche ist in Bewegung. Warum sollte ihr Gehäuse in Bewegungslosigkeit erstarren?"

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Arvo Pärt/geb.1935
Gesamttitel: IN CROCE - Russische Kammermusik
Titel: Spiegel im Spiegel - für Violine < Violoncello > und Klavier
Solist/Solistin: David Geringas /Violoncello
Solist/Solistin: Tatjana Schatz /Klavier
Länge: 08:12 min
Label: Koch CD 310091 G1

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