
AP/ANTONIO CALANNI
Salzburger Nachtstudio
Vom Verbannten zum italienischen Nationaldichter
Vom Verbannten zum italienischen Nationaldichter
Zum 700. Todestag von Dante Alighieri
Gestaltung: Brigitte Voykowitsch
1. September 2021, 21:00
In der Nacht vom 13. zum 14. September 1321 starb Dante Alighieri im Exil in Ravenna. Er war 56 Jahre alt und lebte seit zwei Jahrzehnten in der Verbannung. Sein Traum, seine Heimatstadt Florenz noch einmal wiederzusehen, hatte sich nicht erfüllt. Doch nach Dantes Tod begann Florenz rasch, sich seines Bürgers anzunehmen. Die Stadt, in der damals so viele Menschen - und eben auch Dante - politischen Turbulenzen zum Opfer fielen, ergriff Besitz von ihrem Dichter.
Als Dante Florenz verlassen musste, hatte er bereits einige Werke veröffentlicht. Doch erst in der Verbannung schrieb er jenes Opus Magnum, das in die Weltliteratur eingehen sollte: Die "Commedia", die später noch den Beinamen "divina" erhielt - die Göttliche Komödie, in der sich der Dichter auf eine Wanderung durch Hölle, Fegefeuer und Paradies begibt. Ganze Schreiberwerkstätten waren damit beschäftigt, Kopien des Werkes zu verfassen, Kommentatoren machten sich an die Auslegung der Verse. Noch im 14. Jahrhundert verfasste der Schriftsteller Giovanni Boccaccio eine Biographie von Dante. Obwohl der Dante-Kult so rasch einsetzte und trotz gelegentlicher Flauten inzwischen sieben Jahrhunderte anhält, hat die Forschung wenig Konkretes zum Leben des Dichters zu Tage fördern können.
Selbst das Geburtsdatum im Mai oder Juni 1265 haben Experten nur aus Dantes eigenen poetischen Anspielungen errechnen können. Vieles bleibt im Dunkeln. Kein einziges Autograph hat die Zeiten überdauert. Dantes Rolle hingegen nahm im 19. Jahrhundert eine ganz besondere Wende. Im Risorgimento, als es den Italienern endlich gelang, ihr Land zu einigen, wurde Dante zum Nationaldichter. Dante, der die Commedia auf Italienisch geschrieben hatte, in einer Zeit, in der noch Latein als Sprache der gehobenen Kultur galt, Dante, der so sehr unter der Verbannung gelitten hatte, wurde zum Symbol des Kampfes um Einheit und Unabhängigkeit.
Dantes Sehnsucht nach Florenz ließ sich elegant übertragen auf die Sehnsucht der Italiener nach einem geeinten Italien. Dass ausgerechnet 1865, 600 Jahre nach Dantes Geburt, Florenz für einige Jahre Hauptstadt des neuen Staates wurde, bereitete den Florentinern besondere Genugtuung. Denn trotz aller Bemühungen erhielten sie die sterblichen Überreste des Dichters nie zurück.
Ein Salzburger Nachtstudio von Brigitte Voykowitsch
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Bücher:
Dante Alighieri, Die Göttliche Komödie, übersetzt von Hermann Gmelin, Reclam-Verlag
Dante Alighieri, Vita Nuova, Das neue Leben, übersetzt von Karl Federn, Fischer Bücherei
Dante Alighieri, Brief an Can Grande, übersetzt von Albert Ritter, Commons
Giovanni Boccaccio, Büchlein zum Lob Dantes, übersetzt von Moritz Rauchhaus, Verlag das kulturelle Gedächtnis
Franziska Meier, Dantes Göttliche Komödie, Eine Einführung, C.H. Beck Wissen
Franziska Meier, Besuch in der Hölle: Dantes Göttliche Komödie, C.H.Beck
Karlheinz Stierle, Dante Alighieri, Dichter im Exil, Dichter der Welt, C.H.Beck
Sendereihe
Gestaltung
- Brigitte Voykowitsch