APA/ÖTZTALER MUSEEN
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Anatomie einer Geheimdienstaktion
In den USA gilt die Operation Greenup als einer der erfolgreichsten Spionageeinsätze gegen Nazi-Deutschland. Sie fand in Österreich statt und blieb dennoch hierzulande unbekannt. Dabei ist es maßgeblich den drei involvierten Agenten und ihren Helfer:innen zu verdanken, dass die Nazis Innsbruck kampflos räumten. Relikte dieser Aktion sind jüngst im Gletscher der Stubaier Alpen aufgetaucht.
6. Dezember 2025, 09:05
Die Ötztaler Museen haben im August 2025 auf dem Sulztalferner in den Stubaier Alpen einen besonderen Fund gemacht. Es soll sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um das Fallschirmmaterial von US-Geheimagenten der "Operation Greenup" aus dem Zweiten Weltkrieg handeln. Nach 80 Jahren im Eis aperten die Teile nun aus.
In einer frostkalten Februarnacht des Jahres 1945 sprangen drei US-amerikanische Agenten mit dem Fallschirm über den Stubaier Alpen ab. Ihr Auftrag: In der Nähe von Innsbruck eine geheime Funkstation einzurichten, um von dort aus den Eisenbahnverkehr über den Brenner zu beobachten und Informationen über die sogenannte "Alpenfestung" zusammenzutragen.
Franz Weber, gläubiger Katholik und Wehrmachtsdeserteur aus dem Tiroler Dorf Oberperfuss, war einer der Agenten, denen dieses geheimdienstliche Husarenstück gelungen ist. Zusammen mit seinen Kameraden, den beiden jüdischen Emigranten Hans Wijnberg und Fred Mayer, schlug er sich nach dem Absprung über dem Sulztaler Ferner in sein Heimatdort durch, um sich dort zu verstecken.
So wurde Oberperfuss zu einem der Zentren des Tiroler Widerstands: Von hier aus gelang es dem Trio unter kräftiger Mithilfe vieler Menschen aus dem Dorf, wertvolle Informationen für die Alliierten zusammenzutragen. Der Funker Hans Wijnberg gab 60 Funksprüche an die OSS-Basis im italienischen Bari durch. Doch damit nicht genug: In den letzten Kriegstagen gelang es Weber und seinen Kameraden darüber hinaus - in Zusammenarbeit mit Aktivisten des Innsbrucker Widerstands, den Tiroler Gauleiter Franz Hofer und seinen Stab festzunehmen, im Kerngebiet der angeblichen Alpenfestung einen vorzeitigen Waffenstillstand herbeizuführen und die Landeshauptstadt Tirols den US-Truppen kampflos zu übergeben.
"In den USA ist die Operation Greenup eine bekannte Geschichte", weiß der Historiker Peter Pirker, der die Geschehnisse von damals penibel erforscht hat: "Schon 1946 sind in der amerikanischen Presse die ersten großen Reportagen über die Operation erschienen. Später stieg das Interesse an solchen Einsätzen noch einmal an, vor allem durch Quentin Tarantinos Film "Inglourious Basterds". Durch die zahlreichen Publikationen und das breite öffentliche Interesse ist die Geschichte der Operation Greenup in den USA zu einer Ikone des Kampfes gegen Nazideutschland geworden".
In Tirol ist man da zurückhaltender. In der Gedenkkultur des Landes haben die Operation Greenup und die Heldentaten Franz Webers und seiner Freunde kaum einen Platz. Und in Oberperfuss, dem Schauplatz des Geschehens, würden viele Leute am liebsten den Mantel des Schweigens über die Ereignisse von damals breiten.
Günter Kaindlstorfer rekonstruiert die Operation Greenup in seinem Feature anhand von bisher unbekanntem O-Ton- und Interviewmaterial, zum Teil auch aus bisher unerschlossenen Archiven.
Sprecher: Josef Lorenz, Karl Menrad
Ton: Elmar Peinelt
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https://tirol.orf.at/stories/3323106/
Bücher
Peter Pirker, "Codename Brooklyn. Jüdische Agenten im Feindesland. Die Operation Greenup", Verlag Tyrolia
Peter Pirker/Matthias Breit, "Schnappschüsse der Befreiung. Fotografien amerikanischer Soldaten im Frühjahr 1945" Verlag Tyrolia
