APA/AFP/VINCENZO PINTO
Gedanken für den Tag
Jan-Heiner Tück über Dante Alighieri
"Von der Hölle durch das Purgatorium ins Paradies". Anlässlich des 700. Todestages der italienischen Dichterikone, Gedanken von Jan-Heiner Tück, Professor für Dogmatik an der Universität Wien
15. September 2021, 06:56
In Dantes Divina Commedia begegnen auch mythische Figuren. Im achten Höllenkreis stoßen Dante und sein Begleiter Vergil auf Odysseus, der durch flackernde Flammenzungen ihre Aufmerksamkeit hervorruft. Vergil erklärt, dass der antike Held hier als Betrüger bestraft wird, der durch die List des hölzernen Pferdes Troja erobert habe. Odysseus selbst sagt, unersättlicher Welthunger habe ihn von Heimat und Familie entfremdet. Seinen Sohn und seine Gattin Penelope habe er auf seinen Fahrten aus dem Blick verloren. Er sei mit seinen Gefährten solange durchs Meer gesegelt, bis sie - schon "alt und müde" - die Säulen des Herkules erreicht hätten, eine Grenze, die eigentlich nicht überschritten werden darf.
Doch Odysseus stachelt seine Gefährten an, weiterzusegeln, und sie rudern "in tollem Flug" über die Grenze hinaus. Nach fünf Monaten sehen sie im Meer einen Berg, doch der Jubel über das unbekannte Land schlägt jäh in Entsetzen um, als von dort ein Wirbelsturm losbricht, der das Schiff erfasst und in einen Strudel reißt. Am Ende schlagen die Wellen über Odysseus und seinen Gefährten zusammen.
Bei Dante zeigt sich hier eine bemerkenswerte Umdeutung des Odysseus-Bildes. Aus dem Vorbild des Heils wird ein Warnbild des Unheils. Odysseus hat sich freiwillig an den Mast des Schiffes binden lassen, um dem verführerischen Gesang der Sirenen nicht zu erliegen. Darin sahen die Kirchenväter ein Vorbild für die christliche Welthaltung. Anders bei Dante. An der Epochenschwelle zur Neuzeit ist er zwar vom Welt- und Wissensdurst des Odysseus fasziniert. Zugleich lässt er den antiken Seefahrer scheitern, weil dieser heilige Schranken missachtet. Damit stellt Dante auch uns eine Frage: Wie weit können wir gehen? Soll alles erlaubt sein, was technisch möglich ist? Oder ist eine kluge Selbstbegrenzung nicht doch angeratener?
Service
Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes
Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Patrick Cassidy/geb.1956
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Dante Alighieri /(aus "La Vita Nuova")/1265 - 1321
Gesamttitel: HANNIBAL / Original Filmmusik
Titel: Vide cor meum
Solist/Solistin: Danielle De Niese /Sopran
Solist/Solistin: Bruno Lazzaretti /Tenor
Chor: Libera Boys Choir
Choreinstudierung: Rupert Gregson Williams
Orchester: The Lyndhurst Orchestra
Leitung: Gavin Greenaway
Ausführender/Ausführende: Sir Anthony Hopkins /gesprochen - Hannibal
Länge: 04:19 min
Label: Decca/Universal Classics 4676962