Fast vergessen? Ach was!

24. September 2021, 11:30

Draeseke (1835-1913) wird seit gut 20 Jahren die Textbausteine "der fast vergessene" oder "unverdient vergessene Komponist der Neoromantik" nicht so recht los. Dies obwohl die vier Symphonien des "Recken", wie Liszt ihn titulierte, und das reiche Kammermusikschaffen dieses Vertreters der "Neudeutschen" auf Tonträgern vertreten sind und in Ö1 nicht selten programmiert werden. So war es im September 2017 in meinem "Des Cis"-Lobpreis der beiden Quintette zu lesen - und dank Copy & Paste im November 2019, als ich die Streichquartette 1 und 2 vorstellte. Schon vergessen?

Aus dem Konzertsaal ist seine Musik nach 1945 eher verschwunden - ein Grund war das fatale, und substanzlose, Interesse der Nationalsozialisten an dem in Coburg Geborenen, die ihn als Vorläufer ihres Feldzugs gegen "entartete Musik" vereinnahmten.

Nicht nur Draesekes 2. und letztes Streichquintett müsste zum Standardrepertoire zählen, auch die beiden erstmals vor 14 Jahren, damals vom Hölderlin Quartett, auf CD aufgenommenen Streichquartette und vollends das nun vorliegende 3. und letzte Quartett Draesekes, der "neben Brahms einer der bedeutendsten Kammermusik-Komponisten" ist, wie der Autor und Draeseke-Kenner Florian Schuck sein vorbildlich gestaltetes Beihefttext mit einem Zitat aus dem Jahr 1896 einleitet.

Das Constanze Quartett bewältigte "die nicht unbeträchtlichen rhythmischen, kontrapunktischen und formalen Anforderungen" der Draeseke-Quartette 1 und 2 "mit Bravour", schrieb ich 2019. Der Satz des 3. Streichquartetts ist "harmonisch und spieltechnisch noch eine Stufe anspruchsvoller als in seinen ersten beiden Quartetten", so Klassik Heute, und auch dem Résumé kann man nur beipflichten: "Das Constanze Quartett - mittlerweile hat die erste Geigerin, Emeline Pierre, allerdings drei neue Partnerinnen gefunden - spielt das Werk mit tiefem Verständnis, klanglich delikat und mit stupender Reaktionsfähigkeit auf die vielschichtig wechselnden Anforderungen."

Angekündigt wurde vor zwei Jahren auch ein Jugendquartett. Stattdessen wird die CD mit der faszinierenden "Suite für Zwei Violinen" ergänzt, aber auch mit der "Scene für Violine und Klavier", was etwas seltsam anmutet, findet sie sich doch schon auf der Vorgänger-CD. Die Floskel vom "fast vergessenen Komponisten" sollte diese CD nun aber endgültig vergessen machen.

Service

Aktuelle Aufnahme:
Felix Draeseke
String Quartets Vol. 2
Quartett Nr. 3 op. 66 | Scene op. 69 | Suite op. 86
Constanze Quartett
cpo 555 350-2

Sendereihe

• Des Cis

Gestaltung

• Peter Kislinger