Martin Lintner über Mensch und Tier

30. September 2021, 06:56

Es war eine etwas skurrile Szene. Da sitzen vier Personen in einem Gasthaus beim Essen. Drei erzählen ganz begeistert und hingerissen von ihren lieben Haustieren, nur die vierte Person hört schweigend zu. Bei Haustieren kann sie nicht mitreden, sie hat nämlich keines. "Wir lieben Tiere so sehr", sagen die drei schwärmend zu ihrer Freundin, "ohne sie könnten wir nicht leben. Wie ist es bei dir? Wieso hast du kein Haustier? Liebst du etwa Tiere nicht?" Die so Angesprochene reagiert etwas zögerlich, doch dann sagt sie: "Ja, ich liebe Tiere sehr, deshalb liegt im Unterschied zu euch auf meinem Teller kein Schnitzel." Betretenes Schweigen tritt ein.

Diese Szene macht deutlich, wie unterschiedlich wir auf Tiere blicken. Schon rein sprachlich werden Tiere eingeteilt in unterschiedliche Kategorien: Auf der einen Seite sprechen wir von Nutztieren und Schlachtvieh, auf der anderen Seite von Haus- und Heimtieren.

Sprache bildet die Wirklichkeit nicht nur ab, sondern konstruiert sie auch. Diese Begriffe bringen nicht nur den ambivalenten Umgang mit unterschiedlichen Tierarten zum Ausdruck, sondern legitimieren ihn auch. Nutztiere sollen genutzt, Schlachtvieh geschlachtet werden. Heim- und Haustiere sollen uns Gesellschaft leisten.

Ich sehe die Grundproblematik in der Tendenz, den Wert eines Tieres davon abhängig zu machen, welche Funktion es für uns Menschen hat. Es wird ihm also ein instrumenteller, sozialer oder emotionaler Wert zugeschrieben, und zwar sowohl den Nutz- wie auch den Haustieren. Von diesem zugeschriebenen Wert hängt ab, wie sie behandelt werden und wie es ihnen ergeht. Den Wert anerkennen, den jedes Tier hat - unabhängig von seiner Beziehung zu uns Menschen: Das verstehe ich persönlich als Tierliebe.

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Gestaltung

• Alexandra Mantler