Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über den Blick der Kunst auf Arm und Reich

"Armut und Reichtum in der Kunst". Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, spürt der Frage nach, welche Rolle die Kunst bei der Bekämpfung von Ungleichheit hat

Es ist ein Blatt, das mich immer wieder aufs Neue fasziniert. So wie mir ist es Kunstliebenden wohl schon vor fast 400 Jahren gegangen, als sie bereit waren, die enorme Summe von hundert Gulden für diese begehrte Grafik Rembrands auszugeben. Der Legende nach soll der Künstler sogar selbst hundert Gulden gezahlt haben, um ein Exemplar dieser Grafik zurückzukaufen. Der hohe Marktwert führte dazu, dass die außergewöhnliche Radierung unter dem Titel "Hundertguldenblatt" in die Kunstgeschichte einging.

Als wir an unserer Ausstellung "arm & reich" zu arbeiten begannen, war für mich bald klar, dass dieses Werk unbedingt mit dabei sein sollte, was uns auf aufgrund einer Leihgabe der Albertina auch möglich wurde.

Mich interessiert das "Hundertguldenblatt", weil dessen Geschichte zeigt, wie Kunst zu einer teuer gehandelten Aktie werden kann, selbst wenn ihr Inhalt eine Kritik an Konsum und Reichtum formuliert. Rembrandts Grafik lässt mich staunen, weil der Künstler hier virtuos mit dem Medium Druckgrafik umgeht. Einzigartig sind auch die Themenvielfalt und die unkonventionelle Auslegung. Das Blatt spiegelt Rembrandts enormes Interesse an der Bibel wider. Im "Hundertguldenblatt" zeigt er verschiedene Geschehnisse gleichzeitig, die in Kapitel 19 des Matthäus-Evangeliums beschrieben werden: die Krankenheilung, die Segnung der Kinder, die Zurechtweisung des reichen Jünglings und die diskutierenden Pharisäer. Zu sehen ist auch ein Kamel ? wohl eine Anspielung auf den Ausspruch Jesu, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Himmelreich Gottes gelange.

Rembrandts Arbeiten zur Bibel wie sein "Hundertguldenblatt" begeistern mich, da sie den Texten aus dem Alten und Neuen Testament als eigenständige visuelle Dialogpartner gegenübertreten. Sie illustrieren den Text nicht, sondern erzählen die biblischen Geschichten mit Mitteln der bildenden Kunst neu und anders: mit Strichen, Farben, Schraffuren - mit Licht und Schatten. Vor allem betont Rembrandt die Emotionen der Individuen. Dabei vermeidet er eine klare Grenzziehung zwischen Gut und Böse. Vielmehr stehen Reflexion und Erkenntnis im Zentrum seiner Kunst. So grübelt der reiche Jüngling, den Christus zur Armut auffordert, melancholisch und nach innen gekehrt vor sich hin. Es sind Gefühle des Zweifels und der Betrübtheit, die sich vermitteln. Wer verabschiedet sich auch schon leicht von seinem Wohlstand? Das war damals nicht anders als heute.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Joseph Haydn
Album: TRIO FRÜHSTÜCK: MOSAIQUE
* Andante - 1.Satz (00:09:47)
Titel: Klaviertrio Nr. 26 in c-moll, Hob. XV: 13
für Klavier, Violine und Violoncello
Ausführende: Trio Frühstück
Solist/Solistin: Clara Frühstück /Klavier
Solist/Solistin: Maria Sawerthal /Violine
Solist/Solistin: Sophie Abraham /Violoncello
Länge: 09:47 min
Label: Gramola 99049

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