
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Gedanken für den Tag
Johanna Schwanberg über den Blick der Kunst auf Arm und Reich
"Armut und Reichtum in der Kunst". Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, spürt der Frage nach, welche Rolle die Kunst bei der Bekämpfung von Ungleichheit hat
8. Oktober 2021, 06:56
Was für eine dramatisch inszenierte Fotografie! Im Vordergrund sitzt eine wie für einen Bühnenauftritt gekleidete Frau mit wallendem schwarzem Haar - die kostbaren Stoffe ihres Gewandes und der auffällige Schmuck weisen auf ihren Reichtum hin. Von der Seite fällt Licht auf die Dame aus besserer Gesellschaft, die offenbar einige Schönheitsoperationen hinter sich hat. Die Dunkelheit im Hintergrund trägt genauso zur Intensität dieses Bildes bei wie der stechende Blick der Dargestellten, die mich direkt anzuschauen scheint. Noch mehr als die Hauptakteurin im Vordergrund beschäftigt mich eine zweite Figur. Es handelt sich um eine grauhaarige Frau mit verhärmtem Gesichtsausdruck, die wie ein Geist aus dem schwarzen Hintergrund hervortritt. In der Hand hält sie eine Katze. Die weiße Spitzenschürze über dem schwarzen Kleid lässt sie unschwer als Bedienstete erkennen.
Die an ein Opernplakat erinnernde eindrucksvolle Fotoarbeit ist Teil einer Serie mit dem Titel "Ladies of Rio". Die fotografische Gesellschaftsstudie der weißen brasilianischen Oberschicht stammt von der libanesisch-brasilianischen Künstlerin Lamia Maria Abillama. Sie entstand in den 2000er-Jahren, inspiriert durch persönliche Erfahrungen, wie die Künstlerin erzählt: "Meine Großmutter mit ihrem Hausmädchen im Wohnzimmer sitzen zu sehen war der Auslöser für die Arbeit. Ich konnte die Ungleichheit und die Klassentrennung sehen."
Faszinierend finde ich, wie es Abillama gelingt, Einblicke in das Leben von Reichen und Superreichen zu geben und zu zeigen, wie sehr sich Machtstrukturen aus der Kolonialzeit bis heute fortsetzen. Etwas gar nicht so Selbstverständliches, hat sich die Kunst doch seit der Moderne viel stärker auf die Darstellung von Armut konzentriert. Ein Phänomen, das nicht nur die Kunst betrifft, schließlich war Reichtum auch in der Wissenschaft lange ein blinder Fleck.
Uns haben Abillamas Werke für die Ausstellung "arm & reich" interessiert, weil sie vor Augen stellen, dass Armut und Reichtum untrennbar miteinander verbunden sind. Eine Überlegung, die unsere gesamte Ausstellung durchzieht. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass Armut und Reichtum nur gemeinsam erschlossen und diskutiert werden können. Frei nach Bertolt Brechts Versen des Kindergedichts "Alfabet" aus dem Jahr 1934, wo es heißt: "Reicher Mann und armer Mann // standen da und sah'n sich an. // Und der arme sagte bleich: // Wär' ich nicht arm, // wärst du nicht reich."
Service
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Antonio Carlos Jobim/1927 - 1994
Album: STEPHANE GRAPELLI / JEAN LUC PONTY
Titel: The girl from Ipanema/instr.
Anderssprachiger Titel: Garota de Ipanema/instr.
Solist/Solistin: Stephane Grappelli /Violine m.Begl.
Solist/Solistin: Eddy Louiss /Orgel
Solist/Solistin: Marc Hemmeler /Piano
Solist/Solistin: Jimmy Gourley /Gitarre
Solist/Solistin: Guy Pedersen /Bass
Solist/Solistin: Kenny Clarke /Drums
Länge: 05:07 min
Label: Accord 139210