Praxis - Religion und Gesellschaft

Sexualisierte Gewalt und Beichtgeheimnis

Missbrauchsskandal erschüttert Frankreich +++ Päpstlicher Kinderschutzbeauftragter Zollner über sexualisierte Gewalt +++ Politischer Kirchenkonflikt in Montenegro

1. Missbrauchsskandal erschüttert Frankreich

In Frankreich sollen seit 1950 mehr als 300.000 Kinder Opfer von sexueller Gewalt in der römisch-katholischen Kirche geworden sein. Zu dieser Einschätzung ist eine unabhängige Untersuchungskommission in ihrem Bericht gekommen. Das sind etwa 13 Kinder pro Tag. Ein Skandal, der auch ob seines Ausmaßes erschüttert und die französische Kirche in eine regelrechte Existenzkrise stürzt. Viele Mitglieder haben ihr in den vergangenen Jahren schon den Rücken gekehrt und so fehlen ihr auch zunehmend die finanziellen Mittel für Entschädigungszahlungen. Nun ist in Frankreich im Zuge der Untersuchung auch eine Diskussion um das kirchliche Beichtgeheimnis aufgeflammt. Aus Paris berichtet ORF-Korrespondentin Leonie Heitz.


2. Päpstlicher Kinderschutzbeauftragter Zollner über sexualisierte Gewalt

Wie die römisch-katholische Kirche mit Missbrauchstätern in ihren eigenen Reihen umgegangen ist, hat im Laufe der vergangenen Jahrzehnte weltweit für Schlagzeilen gesorgt und Erschütterung verursacht: in Österreich, in Deutschland, in Irland und den USA, zunehmend auch in Osteuropa. Hans Zollner hat wahrlich keinen einfachen Job: Er ist der päpstliche Kinderschutzbeauftragte, ein deutscher Jesuitenpater, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die katholische Kirche weltweit für das Thema Missbrauch zu sensibilisieren. Dabei gibt es gravierende Unterschiede, die oft auch kulturell bedingt sind. Vergangene Woche wurde die Fortbildungs- und Forschungstätigkeit des Vatikans in dem Bereich erweitert. Zollner leitet das neu gegründete Institut für "Safeguarding" also Vorbeugung und Schutz. Cornelia Vospernik hat ihn in Rom zum Interview getroffen, um mit ihm über seine Tätigkeit und die Dimension des Problems zu sprechen.


3. Politischer Kirchenkonflikt in Montenegro

Kirchenkonflikte haben am Balkan und in der Ukraine in der Regel keinen religiösen Hintergrund, sondern sind Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Ethnien im Zuge der Nationsbildung einzelner Staaten. Ein gutes und aktuelles Beispiel dafür sind die Auseinandersetzungen in Montenegro. Auf der einen Seite stehen die erklärten Befürworter der nationalen Unabhängigkeit und eigenständigen montenegrinischen Identität; ihnen gilt die serbisch-orthodoxe Kirche als Trägerin des Serbentums, auch im politischen Sinne, weshalb sie ihr argwöhnisch gegenüberstehen. Auf der anderen Seite stehen die proserbischen Parteien. Bei der bisher letzten Volkszählung vor zehn Jahren deklarierte sich ein Drittel der Bevölkerung als Serb/innen. Doch etwa zwei Drittel der Bevölkerung sind orthodox, sodass zur serbisch-orthodoxen Kirche auch Gläubige gehören, die für die Eigenständigkeit Montenegros sind. Beim Referendum über die Loslösung aus dem Staatenbund mit Serbien stimmten im Jahre 2006 56 Prozent der Bürger/innen dafür - ein Sieg, der nur mit den Stimmen der nationalen Minderheiten der Bosniaken und Albaner erreicht wurde. Die Auseinandersetzung um und mit der serbisch-orthodoxen Kirche führte in den vergangenen zwei Monaten zu Protesten und Ausschreitungen in Montenegro. Über ihre Hintergründe berichtet ORF-Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz.

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